548 Wärtemberg. Kammer der Abgeordneten.
Augenblick kaum sprechen, ohne sich möglicher Weise eines Hochverraths
gegen Preußen schuldig zu machen. Der Norddeutsche Bund ist ein Mi-
litärstagt, der sich mit der Wohlfahrt des Volkes nicht verträgt. Meine
Herren! Man hat über die Agitation, welche sich in Würtemberg gegen
das Kriegsdienstgesetz erhoben hat, hier schon vieles gesprochen. Der Herr
Justizminister hat darauf hingewiesen, daß die Koalition, welche hierüber
zwischen zwei verschiedenen Parteien entstanden sei, mitgewirkt habe, dem
Ministerinm eine andere Stellung zu geben. Ich müßte sehr bedauern,
wenn dieß wirklich ein Grund zu einer andern Auffassung der Verhältnisse
im Ministerium gewesen wäre. Die damalige Koalition war der entschie-
dene Ausdruck der Mehrheit des ganzen Volkes, und wenn man im jetzigen
Augenblick natürlich anerkennt, daß man das Militär in großer Zahl
braucht, so bleibe ich doch dabei, daß die Höhe der Militärausgaben, wie
sie jetzt besteht, für die Dauer nicht bestehen kann, wenn das Volk selbft
nicht in seinen tiefsten Interessen beschädigt werden soll. Es ist nicht mög-
lich, daß man in solcher Weise das Volk mit Militärausgaben belastet,
daß alle übrigen Bedürfnisse des Volkes, die doch wahrhaftig weit wichtiger
sind, darunter nothleiden. Wohin soll es kommen mit dem Staate, der
sich auf die Intelligeuz, auf die hohe Stufe der Wissenschaft und Kunst
wie auf den Charakter seiner Bürger soviel beruft, wenn Alles für das
Militär verwendet wird! Wir dürfen die jetzigen Zustände nur als vor-
übergehende, nicht als dauernde gelten lassen und ich weiß, daß es auch
früher von unsern Ministern so angesehen worden ist. In jetzigem Augen-
blick sagt man uns, daß ein ungeheurer Fehler begangen worden sei mit
jener Agitation, daß das Volk diesen Fehler selbst eingesehen habe und
daß seine Wahlen Zeugniß davon geben. Ja, meine Herren, das Volk
wird in dem jetzigen Augenblick eine Verminderung des Militärs ganz ge-
wiß nicht wünschen, wo wir mitten im Kriege sind und vielleicht, wenn
es gut geht, am Ende eines Krieges, der gleichwohl einen zweiten Krieg
in nicht zu großer Ferne zur Folge haben wird. In diesem Augenblick
eine Verminderung des Militärs zu wünschen, fällt dem Volk nicht ein.
Aber daß hierin mit dem Frieden geholfen werden muß und jene Agitation
eine völlig gegrüudete war, das kann niemand leugnen, der es mit dem
Volk gut meint. Anschließend hieran über den Krieg zu sprechen, fällt
mir nicht ein. In Bezug auf alle sich hier aufdringenden Fragen, auf
die Zustände, iu denen wir uns befinden, auf den Frieden und was durch
denselben erreicht werden soll, über alles dieses wollen wir uns nicht aus-
sprechen, weil wir es ohne die Verletzung gewisser Pflichten nicht thun
können. Ich glaube, es ist wohl bekannt, daß ich mir vor nicht langer
Zeit Mühe gegeben habe, und meine Mühe auch mit Erfolg gekrönt war,
daß in diesem Saale jede Diskussion über die Kriegszustände, über unser
Militär, über die allgemeine Lage vermieden wurde. Ich that es schon
darum, weil wir mitten im Krieg find, und wir es unsern Soldaten nicht