Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

552 Würtemberg. Kammer der Abgeordneten. 
Krieges zwischen den Parteien gehalten werden sollte, vorgezogen habe, sich 
ruhig zu verhalten. Meine Herren, ich meine, die weit überwiegende Mehr- 
zahl derjenigen, welche in diesem Saale sitzen, wird aus eigener Erfahrung 
dieser Behauptung widersprechen und sie widerlegen können. Soweit wenigstens 
meine Erfahrungen gehen, habe ich nicht bemerkt, ddaß die Herren von der 
Gegenseite eingeschüchtert gewesen wären und es sich zur Aufgabe gemacht 
hätten, wegen des Kriegs sich ruhig zu verhalten. Es ist ein recht erfrau- 
licher lebhafter Kampf im ganzen Lande gewesen und wir dürfen wohl te- 
haupten, daß wir in ehrlichem und offenem Kampfe den Sieg davongetragen 
haben. Am wenigsten aber glaube ich, daß die Partei, welcher der Hen 
Abgeordnete von Waldsee angehört, berechtigt ist, über Einschüchterungen zu 
klagen; denn, meine Herren, seine Freunde sind gerade diejenigen, welche, 
wenn sie Meister zu sein glauben, jede unabhängige Meinungsäußerung durch 
Terrorismus zu unterdrücken geneigt sind. Die Gegner unserer Anträge sind 
wesentlich nach zwei Gruppen zu unterscheiden: einmal die ganz unummun- 
denen und entschiedenen Partikularisten, welche sich nicht entschließen können 
und wie es scheint nach ihrer ganzen Anschauung auch gar nicht dazu befähigt 
sind, die nationale Bedeutung der vorliegenden Frage bei ihrem politischen 
Handeln irgend in Betracht zu ziehen, derselben irgend einen Werth beizu- 
legen. Zu dieser Gruxpe werde ich wohl berechtigt sein den Herrn Abgeord- 
netenlvon Aalen zu zählen. Er hat uns in weitläufiger Zahlenberechnung nach- 
zuweisen gesucht, welche Nachtheile unser Land durch den Beitritt zum deut- 
schen Bund haben würde; er hat mit einer ruhigen kühlen Statistik, wie 
wenn es sich um einen Handelsvertrag mit Japan handeln würde, ausgerech- 
net, daß wir mehr leisten müßten als vorher, wenn wir auf die Verträge 
eingiengen. Daß der Beitritt zum Deutschen Bunde Opfer koste, das weiß 
Jedermann, das hat auch unser Volk im Auge gehabt, als es seine Wahlen 
vollzogen hat. Wenn aber auf die Unerschwinglichkeit dieser Lasten hinge- 
wiesen wird, so erwiedere ich ganz einfach: was ganz Deutschland leisten 
kann und nach der Ansicht seiner Vertreter im Reichstage und seiner Regie- 
rungen im Bundesrath leisten muß, um gesichert gegen außen dazustchen, 
das, meine Herren, kann auch Würtemberg leisten. Den Standpunkt aber 
möchte ich wenigstens nicht vertheidigen, daß Würtemberg den Schutz des gre- 
ßen Ganzen zwar genießen, dagegen darauf Bedacht nehmen soll, seinerseits 
so wenig wie möglich zu leisten. Hierauf läuft jene Ansicht am Ende hinaus; 
denn den Schutz des ganzen hat, glaube ich der Herr Abgeordnete von Aalen 
selbst nicht zurückweisen wollen. Meine Herren! So ist es zur Zeit des 
alten Bundestags gehalten worden; da hat man in einem gewissen Komplett 
zwischen Regierung und Ständen durch geschickte Manipulationen bei dem 
Militäretat den Bund zu überlisten gesucht; man hat sich gefreut, wenn man 
ein paar hundert Mann weniger halten konnte als andere, welche ehrich 
dem betreffenden Bundesbeschluß nachgekommen sind. Und, meine Herr#, 
diese Auffassung in Verbindung mit der bisherigen politischen Lage und den
	        
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