Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Hölder. 555 
keiner Bedingung dürfe man sich mit Norddeutschland einlassen. Wenn 
man vorschlägt, man sollte Bedingungen machen im Interesse der Freibeit, 
so nimmt sich das sehr schön aus; sehen wir aber diesem Vorschlage etwas 
näher auf den Grund, so müssen wir sehr bedenklich werden, auf denselben 
einzugehen. Meine Herren! Die Bedingungen, welche der Herr Abgeord- 
nete von Biberach angedeutet hat, sind, wie mir scheint, nicht von der Art, 
daß sie zu einer Einigung führen könnten. Er hat in seinem Vortrag als 
ein Haupthinderniß der Einigung mit Preußen und Norddeutschland den 
militärischen Grundcharakter des Staates hervorgehoben. Glaubt nun der 
Akgeordnete von Biberach wirklich, es würde möglich sein, diesen militärischen 
Grundcharakter, wenn er je vorhanden ist, im Wege von Bedingungen zu 
keseitigen!? Glaubt er, eine Einigung könne erreicht werden, wenn unserer- 
seits verlangt wird, der preußische Staat solle das aufgeben, was der Herr 
Abgeerdnete von Biberach als sein innerstes Wesen bezeichnet? Es ist mit 
diesem militärischen Charakter viel Mißbrauch getricben worden; ich meine, 
die Erfahrungen der letzten paar Monate haben denn doch den Beweis ge- 
führt, daß es so übel nicht ist, wenn ein Staat, wenn der Deutsche Staat 
bis auf einen gewissen Grad wenigstens auch eincn militärischen Charakter hat. 
Der Herr Abgeordnete von Biberach hat eine weitere Andeutung darüber gegeben, 
welche Bedingungen er etwa zu stellen gemeint wäre. Er hat von einem Staaten- 
baus gesprochen — eine Idee, die ich ganz vortrefflich finde; sie entspricht 
auch meinen Ansichten; er hat dann aber bemerkt, dieses Staatenhaus müsse 
eigentlich so zusammengesetzt sein, daß die Vertretungen der einzelnen preußi- 
schen Prorinzen dasselbe beschicen. Meine Herren! Das wäre wiederum 
eine recht schöne Idee; aber wenn man glaubt, Prcußen würde in diesem 
Augenblick darauf eingehen, so würde man sich ganz gewiß täuschen. Das 
sind eben Forderungen, welche das ganze Wesen, die Grumdnatur dieses 
Staates, wie sie gegenwärtig vorliegt und wie sie sich nur im Laufe der Zeit 
moedifiziren kann, betreffen, welche aber eben deßwegen Preußen jetzt unmög- 
lich erfüllen kann. Mit Recht könnte ron dieser Seite dem Hern Abge- 
ordneten von Bibcrach eingewendet werden, daß, wenn er sein Staatenhaus 
aus preußischen Provinzen und anderen Deutschen Ländern zusammengesetzt 
wünsche, er eben doch wieder auf jenes volksparteiliche Wort zurückkomme, 
daß Preußen zerstört und in seine Stücke zerschlagen werden müsse, wenn 
ein einiges Deutschland erstehen soll. Schließlich hat der Herr Abgeordnete 
ron Biberuch ganz unumwunden bekannt, daß er die vorliegende Reichsver- 
fassung gar nicht für entwicklungsfähig halte. Wenn man nun aber ande- 
rerseits von Bedingungen redet, so könnte dieß doch wohl nur so gemeint 
sein, daß dieser odcr jener Punkt eine Verbesserung im Sinne der Volks- 
nchte erfahren solle. Ist man aber der Ansicht, daß diese Verfassung über- 
bauxt entwicklungsunfähig sei, daß nicht durch eine Entwicklung derselben son- 
dem nach der Hoffnung des Herrn Abgeordneten von Biberach nur durch eine 
große Reaktion gegen die Verfassung im Ganzen geholfen werden könne, ja
	        
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