Hoͤlder. 557
Natien, für deren ganze politische Existenz. Wenn die Staatsform, die
Staateverfassung im großen Ganzen von allen Parteien als für das Volk
und die Nation heilsam erkannt ist, wenn auf einer solchen anerkannten
breiten Grundlage die Gegensäße sich bewegen, dann werden die politischen
Parteien zu einem gesunden Staatsleben beitragen, während, wenn diese
Grundlagen in Frage gestellt sind, wenn sich die Parteien in heftigem Kampfe
zerfleischen, der Staat zu Grunde geht. Meine Herren! Ich wünsche, daß
die Vorlagen der Regierung mit recht großer Mehrheit angenommen werden
möchten; ich wünsche dieß aber nicht sowohl deßwegen, um ein paar Stim-
men mehr oder weniger zu bekommen (die Annahme selbst ist ja ohnedem
gesichert), ich wünsche es vielmehr vor allem im Interesse der Männer selbst,
welche uns bisher als politische Gegner in dieser Frage gegenüberstanden.
Ich weiß, daß viele bewährte Vaterlandsfreunde darunter sind, daß viele
dieser Männer von früher Jugend auf das Ideal der Deutschen Einheit in
sich getragen haben, und daß viele dafür Opfer gebracht, dafür gelitten haben.
Es war für mich in den letzten Monaten oft ein wehmüthiger Gedanke,
wenn ich mir sagen mußte, daß diese Männer des erhebenden Genusses, des
stelzen Vewußtseins entbehren mußten, welche der Gedanke gewährt, daß jetzt
endlich die Deutsche Einheit sich vollende, daß zu gleicher Zeit die Deutsche
Nation, das Deutsche Reich sich wieder zu einer europäischen Großmacht er-
hebe, daß Deutschland wieder groß und mächtig in der Welt dastehe. Es
muß jenen Männem peinlich sein, sich sagen zu müssen, daß sie, die früher
stets für die Deutsche Einheit gestritten haben, jetzt in dem Augenblicke, in
welchem diese Einheit durch glänzende Ereignisse sich vollzieht, selbst alles
gethan haben, um das Zustandekommen derselben zu verhindern. Ich mochte
auch für die künftige politische Thätigkeit dieser Männer den Stachel eines
selchen Bewußtseins ihnen ausziehen können, ich wünsche um ihrer selbst
willen eine innerlich versöhnte Stimmung zu den bioherigen Gegnern hervor-
gerufen zu sehen. Ich wünsche vor allem aus diesen Erwägungen, meine Her-
uen, daß im jetzigen großen Augenblick sich womöglich Alle dem bedeutungs-
rellen Votum anschließen möchten, das wir heute noch abgeben werden
für die Einheit Deutschlands, für die Wiederherstellung des Deutschen
Reiches').
BRömer: Meine Herren! Mein Herz ist von Freuden voll, daß wir
aun dem Ziel stehen, für das ich so lange gekämpft habe. Es ist natürlich,
wenn ich den Wunsch habe, dieser Freude Ausdruck zu geben. Dennoch hätte
ich lieber geschwiegen. Aber ich bin zum Reden gezwungen worden durch
den lebhaften Widerspruch, der von einer Seite dieses Hauses gegen die Vor-
lagen der Regierung erhoben worden ist. Wir sind gezwungen zum Reden
— .
*) Holgen persönliche Bemerkungen S. 61 r. u. Dann die Rede von Völmle
S. 62 I. m.