Römer. 561
Kriege, den Preußen führt, gezwungen sind, mitzufämpfen, und daraus
folgt, daß das Verwilligungsrecht der Stände in den meisten Fällen eines
Kriegs vollkommen illusorisch ist. Und dann, wenn in diesem Hause, in der
ersten Kammer etwa die Regierungsrorlagen abgelehnt würden, was wäre
die Folge im Innern des Landes? Der alte Rampf der Parteien würde mit
neuer Heftigkeit enibrennen; Würtemberg würde in den tiefsten Tiefen auf-
zewühlt; es .wäre noch weniger als jetzt mäglich, die dringend nöthigen in-
neren Fortschritte zu machen; das innere Leben würde ins Stolken gerathen
und die Folge würde der Zerfall unseres Gemeinwesens und Staates sein.
Rettung wäre nur durch den Eintritt in das Deutsche Reich möglich; in
verhältmißmäßig kurzer Zeit wäre darüber nur Eine Stimmc, daß wir ein-
reten müßten, wir würden um die Aufnahme flehen, und würden ausge-
nemmen, aber ohire die Konzessionen, die nach den jetzigen Verträgen uns
gemacht worden sind. Das, meine Herren, ist die Lage, in der wir uns
befinden. Wir müssen, wie der Herr Berichterstatler gesagt hat, — wir müssen
die Verträge annehmen, wir haben gar keine Wahl. Ja, meine Herren,
wenn man der Seite des Hauses, welcher ilh angehöre, gefolgt hätte, da
räre# die Sache anders zu machen gewesen. Wenn man vor dem Kriege,
ehe der Nordbund, ehe Preußen diese Erfolge errungen hat, Unterhandlungen
eingeleitet hätte wegen des Deutschen Reiches, da wäre es möglich gewesen,
„bessere Bedingungen zu erlangen", wie man sich ausdrückt; jetzt müssen wir
die Lage annehmen, wic sie ist und die Geguer sie selbst haben schaffen
delfen. Uebrigens ist die Reichsverfassung, die wir annehmen sollen, nicht
so schlimm, wie sie dargestellt wurde. Es fällt mir nicht ein, weitläufig
auf diese Angriffe einzugehen; nur zwei Punkte erlaube ich mir herauszu-
greifen. Es ist mehrfach schon von gegnerischer Seite Wehe geschrieen
werden, daß die Zuständigkeit des Deutschen Reichs auf die Presse und das
Vereinswesen ausgedehnt werden solle, geschrieen darüber, daß dadurch unsere
ge Preß= und Vereinsfreiheit aufs schwerste bedroht sei. Man klagt
über den Verlust eines Gutes, das man in Wirklichkeit nicht besitzt. Be-
kanntlich herrscht bei und, was die Presse betrifft, das Gesetz von 1817.
Dieses Gesetz ist für die Zeit, in der es gegeben wurde, sehr freisinnig, für
unsere Zeit ist es dieß durchaus nicht. Meine Herren! Das Prehgesetz von
1817 gestattet nicht nur, sondern verpflichtet die Polizeibehörde zur Beschlag-
nahme von Schriften wegen jedes Vergehens, das in deuselben begangen
wird, selbst wegen der allerunbedeutendsten Injurien; dieses Gesetz gestattet
unter Umständen, namentlich im Kriege, die Einführung der Censur; dieses
Gesch nimmt nicht einmal Rammewerhandlungen aus von krimineller Ver-
felgung. Sie sehen daraus, meine Herren, daß die Preßfreiheit, wie sie ge-
setlich in Würtemberg besteht, manches zu wünschen übrig läßt, daß unsere
Preßgcsetzgebung durchaus nicht auf der Höhe der Zeit steht. Schlimmer
noch ist es mit dem Vereinswesen. Man konnte von den Gegnern hören,
daß es auf's beste damit bei uns bestellt sei, aber, meine Herren, wir haben
In#talien 111. 96