568 Würtemberg. Kammer der Standesherrn.
kämpfe, siege; nicht mehr darf es von dem Einzelermessen einer Deutschen
Regierung abhängen, ob sie wohl den Fall dazu angethan finde, das
Schwert zu ziehen; nicht länger darf Raum gegeben sein den Einflüste-
rungen fremdländischer Staatskunst bei diesem oder jenem Kabinet, wenn
es sich um die Frage der Wahrung Deutscher Interessen handelt, sendern
die Nation in ihren verfassungmäßigen Organen, nach deren durch das
Grundgesetz geordneten Gliederung und Berechtigung soll von nun an
darüber entscheiden und der Ausspruch, den sie gegeben, muß Gesetz sein
für jedes einzelne Bundesland. Alsdann und nur alsdann ist einheitliches,
den Anforderungen der politischen Lage genügendes Handeln gesichert, nur
alsdann ist den Gefahren vorgebeugt, welche aus der von der Geschichte
gesetzten Mannigfaltigkeit des Deutschen Lebens hervorgehen. Sollte nun
dieser Mannigfaltigkeit, sollte dem berechtigten Einzelleben der Glieder des
großen Ganzen durch die neue Schöpfung wirklich Gefahr drohen? Ihre
Komission in ihrer Majorität zandert keinen Augenblick, diese Frage zu
verneinen. Ist denn das „Reich der vergangenen Zeiten" — so möchte
man fragen — nicht auch eine geschichtlich bestehende Zusammenfassung
aller Deutschen Stämme in ihrem Einzelleben gewesen? Hat sich letzteres
nicht gerade in dieser Zusammengehörigkeit zu demjenigen entwickelt, was
es mit der Zeit geworden? War die Souveränität der Einzel-Regierungen
nicht mit Ausnahme kurzer Zeiträume stets eine beschränkte? Worin sollte
also jetzt die große Gefahr für die Einzelstämme liegen? Das Deutsche Reich
zerfiel aus Mangel an einheitlicher Kraft, es wurde zum Gespött wegen des
Elends seiner Militärverfassung. Dem früheren Deutschen Bunde wurden
dieselben Gebrechen oft und allseitig genug vorgeworfen, und das Jahr
1866 hat einen peinlichen Kommentar zu diesen Vorwürfen geliefert. Die
neue Schöpfung vermeidet diese Fehler. Ob sie überall das Richtige getroffen,
läßt sich so wenig sagen, als es bei irgend einer andern Schöpfung mäg-
lich ist. Eines aber wissen wir bereits, nämlich daß die militärischen Ein-
richtungen sich bewährt haben. Mehr als genügend hat sich herausgestellt
die Hohlheit der Einwendungen, die man gegen ein kaum geschaffenes
Spstem auftauchen sah, und als ein Glück hat man es auzusehen, daß,
wenn der Krieg ausbrechen sollte, er ausbrach, ehe es den zerstörenden Ele-
menten gelungen war, unsere Wehrkraft zu untergraben oder die süddeut-
schen Regierungen in Bahnen zu drängen, deren Ende nicht abzusehen ge-
wesen wäre. Daß das Leben des Norddeutschen Bundes bisher ein unge-
sundes gewesen, läßt sich in der That nicht behaupten; unfruchtbar war es
sicherlich nicht. Uusschreitungen, welche bei jedem System möglich, werden
durch ihr gegenseitiges Einwirken auf einander am zweckmäßigsten gemin-
dert und verbessert. Norddeutsche und süddentsche Art des politischen und
staategeschäftlichen Lebens werden sich gegenseitig korrigiren; der Einfluß
eines von der ganzen Nation beschickten Reichstages wird etwaigen Schroff-
heiten der Verwaltung begegnen. Wenn erst die Gesammtverfassung errungen,