Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Linden. 569 
beginnt die Arbeit im Einzelnen, und Aufgabe der Besten der Nation wird 
es sein, dieselbe in umsichtigem, gemäßigtem Fortschreiten zu vollziehen. 
Daß ein Staat an der Spitze steht, der sich durch innere Kraft und lang- 
jährige Anstrengung emporgerungen, und der hiedurch allein die neue 
Scköpfung möglich gemacht, kann zu solcher Befürchtung nicht berechtigen; 
sein Wirken und das natürliche Eingreifen seiner Macht wäre weit mehr 
dann zu fürchten, wenn ihm keine berechtigte Bahn zu Geltendmachung 
seiner Kraft eröffnet wäre. Allerdings, um Gefahren vorzubengen, welche 
aus der unentschiedenen Stellung anderer politischer Körper hervorgienge, 
könnte die Kraft zur Absorbirung auch die Thatsache dieser Absorbirung 
zur Folge haben, und es kann daher mit vollem Grunde behauptet werden, 
daß die Zurückweisung des Anschlusses an den neuen Deutschen Bund viel 
zgrößere Gefahren für die Selbständigkeit der isolirten Staaten mit sich 
bringe, als der Anschluß selbst. Es ist eiuleuchtend, daß in dem berech- 
tigten Ringen nach einem neugestalteten Deutschland jede Stellung mit 
Mißtrauen betrachtet wird, welche nicht organisch mit der neuen Schöpfung 
rerbunden ist. Ansichten und Entschlüsse wechseln; Zeiten und Menschen 
ändern sich, der Schwung des menschlichen Geistes ist nicht immer derselbe; 
Garantien, welche keine reellen Grundlagen haben, können bei dem nun 
einmal entbrannten Kampfe erbitterter Nationalitäten kaum in Betracht 
kommen; daher kann es zum Gebote der Selbsterhaltung werden, solchen 
Gefahren ein für allemal zu begegnen, d. h. der biesherigen politischen 
Selbständigkeit gefährlich scheinender staatlicher Existenzen, sobald die Um- 
stände es ermöglichen, ein Ende zu machen. Ganz anders ist etz aber 
offenbar, wo gemcinschaftliches Wirken organisch verbürgt ist, wo die ver- 
schiebenen Kräfte in verhältnißmäßiger Gliederung zusammenwirken, wo 
das Wohl und Wehe des Einen von dem Wohl und Wehe des Andern 
abhängt, und wo gegen etwaige Uebergriffe nicht auf die physische Macht, 
soendern auf verfassungsmäßig verbürgte politische Rechte rekurrirt wird. 
Bei Ausübung der letzteren hat jeder Angehörige desselben Staatswesens 
Tausende von Bundesgenossen, denn die einmal bestehende Verfassung ist 
Jedem heilig, der auch seine Rechte dadurck geschützt findet; und daß Ge- 
walthandlungen nicht gerade da stehen bleiben, wo man es nach seinem 
eigenen Standpunkt wünschen möchte, ist eine bekannte Erfahrung. Ob 
Einrichtungen, wie z. B. ein Staatenhaus, gerade nothwendig, um die 
Erhaltung der Einzelstaaten zu verbürgen, ob ein solches die Einzel- 
Regierung nicht in manchen Beziehungen weit mehr beengen würde, als 
es jetzt bei ihrer Wirksamkeit im Bundesrath der Fall ist, ob darin nicht 
eine Komxlikation zu finden wäre, welche die Schwierigkeit des Zusammen- 
wirkens der Glieder mit dem Ganzen vermehren und durch die Schwer- 
fälligkeit des Ganges der Maschine deren geregelten Gang nur erschweren 
würde, dies sind se problematische Fragen, daß es nimmermehr gerathen 
sein kann, den Eintritt in den neuen Deutschen Bund von ihrer Lösung
	        
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