Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Linden. 571 
weil in den Reichstag nur solche Mitglieder gewählt werden können, welche 
auf eigene Kosten am Sitze des Reichstags zu leben im Stande sind, 
sellte im Ernst nicht behauptet werden. Ob Diätenlosigkeit an sich ein 
Vorzug oder Nachtheil sei, mag dahingestellt bleiben; aber dieser Frage bei 
Neugestaltung Deutschlands den Werth beizulegen, wie es vielfach geschieht, 
hieße der Deutschen Nation doch in mehr als einer Beziehung ein Armuths- 
zeugniß ausstellen. Wenn die Bundesverfassung keine Aufzählung von so- 
genanuten Grundrechten enthält, so kann man wohl mit aller Ruhe entge- 
genhalten, daß, was an denselben nicht bloße bedenkliche Theorie oder gar 
Phrase ist, in dem Staatsrechte der Neuzeit als eingebürgert betrachtet 
werden darf und im Wesentlichen seine Gewährleistung in der öffentlichen 
Meinung ebenso gewiß findet, als wenn es in das geschriebene Recht auf- 
genommen worden wäre. Daß endlich das Budgetrecht eine Beschränkung 
binsichtlich der Ausgaben für das Heer erleidet, beruht auf einer Art von 
Nothwendigkeit. Das neue Deutschland braucht sein Heer, und wird es 
noch lange brauchen; seine Tüchtigkeit muß nach allen Beziehungen außer 
Zweifel sein. Nicht darf es daher in Frage stehen und ein Agitations- 
mittel für die Parteien bilden, ob die Mittel zu seiner genügenden Ausrüstung 
fernerhin verwilligt werden, ob eine als bewährt erfundene Formation bei- 
behalten werden könne und dergleichen. Auf all' dies würden nur die 
Feinde Deutschlands lauern, um ihre verderblichen Plane wieder aufzu- 
nehmen. Sind erst diese nicht mehr zu fürchten, so läßt sich doch in der 
That nicht einsehen, warum das Bundesoberhaupt auf einem unnöthig ge- 
wordenen Anfwand gegen den Willen des Reichstags beharren sollte; es 
ist vielmehr gewiß die Annahme erlanbt, daß die Einwirkung eines konsti- 
tutionellen Körpers, wie der Reichstag, stark genug sein werde, um mit 
der Zeit die extreme Anwendung eines Präfidialrechtes in eine heilsame 
Grenze zurückzuführen. Lehrt doch jeden Mann des öffentlichen Lebens 
die Erfahrung, wie schwer das Regieren wird, wenn über solche Kardinal-= 
fragen Meinungsverschiedenheit zwischen Staatsoberhaupt und Volksvertre- 
tung obwaltet, und wenn der Mangel an bereitwilligem Entgegenkommen 
auf der einen Seite stets die gleiche Wirkung auf der andern Seite in 
densenigen Sphären hervorruft, wo die Thätigkeit auf dem freien Willen 
teruht, und diese Sphäre ist im Staatsleben keine kleine; warum sollte 
fich nun diese Erfahrung gerade in dem neuen Deutschen Bunde so ganz 
nicht bewähren? Auch die Besorgniß vor finanzieller Ueberbürdung kann 
kein Grund zu Ablehnung des Eintritts in den neuen Deutschen Bund 
werden. Diese Ueberbürdung soll hauptsächlich durch den Militäretat her- 
beigeführt werden. Nun vermißt man bei den Gegnern des Eintritts vor 
Allem eine Aeußerung darüber, was denn die Mittelstaaten, was insbe- 
sendere Würtemberg aufzuwenden hätte, wenn es nicht einträte? Die 
Welllage ist nun einmal so, daß die militärische Kraft in allen Staaten 
auf's Höchste angespannt wird, und es wird dieß um so gewisser der Fall
	        
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