574 Würtemberg. Kammer der Standesherrn.
derben der Nation hereinbräche? Es ist leider kein Zweifel, daß solche
Stürme uns drohen; der Sympteme hiefür sind es nur zu viele; Stamm
an Stamm gereiht kann die Nation einen Damm bilden, vor welchem die
aufgeregten Wogen in machtlesem Grolle sich brechen; ohne diesen Damm
aber sehen wir sie vielleicht in bis dahin mühsam verhaltener, daher nur
um so heftiger ausbrechender Wuth den Bau zerstören, dessen Gefüge durch
den edelsten Kitt, das Blut von Tausenden und aber Tausenden unserer
Mitbrüder, für alle Zeiten gesichert zu sein schien. Dieß sind die Erni-
gungen, aus welchen Ihre Kommission in der bereits näher bezeichneten
Maserität (von 6 gegen 1 Stimme) zu dem Antrag gelangt, dem Beschluß
des andern Hauses unter Ziffer I., II., III. unbedingt beizustimmen. Mag
auch noch dahinstehen, was in dem Nachbarlande, das allein sich noch nicht
ausgesprochen, geschehen wird, Würtemberg soll dem neuen Deutschen Reiche
nicht fehlen, nicht weil alle audern Mittelstaaten eingetreten sind oder ein-
treten, soll es sich ihm einverleiben, sondern weil es seine Pflicht gegen
Deutschland erfüllen und auf politischem Felde besiegeln will, wofür seine
Söhne auf blutigem Schlachtfeld stritten, wofür ihrer so viele ihr Leben
geopfert haben. So allein wird auch der ebenso begründeten als erheben-
den Aufforderung der Königlichen Thronrede entsprechen, nach großen
Gesichtspunkten und im Hinblick auf das hohe Ziel die Verträge zu
prüfen! Würtemberg als ein Glied des zum größten Theil geeinigten
Deutschlands wird indessen auch ökonomisch auf die Dauer nicht leiden,
während beinahe undenkbar ist, daß unser baierisches Nachbarland sich der
Vereinigung entzichen wolle und auf die Dauer sich entziehen köune.
Staatsminister Freiherr v. Neuralth als Referent der Minderheit der
Kommission’'): Zwei Hauptrichtungen treten hervor, in welchen man aus
dem durch die Annahme der Verträge zu begründenden neuen Rechtszustand
Vortheil erwarten zu dürfen glaubt: Vermehrung der Rechtssicherheit nach
innen und außen und Beförderung der Volkswohlfahrt in sonstigen Be-
ziehungen durch gemeinschaftliche Gesetze und Einrichtungen. Der frühere
Deutsche Bund hatte wesentlich nur den ersten Zweck in's Auge gefaßt,
die sonstige Beförderung der Volkswohlfahrt hatte er der Gesetzgebung und
Verwaltung der einzeluen Bundesstaaten oder der freien Vereinbarung der
einzelnen Staaten unter sich überlassen. Seit 1866 wurden in letzterer
Bezichung andere Wege betreten. Die Unterwerfung der Minorität unter
die Majorität wurde auch den süddeutscheu Staaten durch den Zollvereins-
vertrag von 1867 für eine Reihe von Gegenständen zur Norm gemacht:;
was dieser Vertrag hierin nur für bestimmte Zeit vorschrieb, soll nun auf
immer, und es soll auch für eine Zahl weiterer Gegenstände ihnen zur
Pflicht werden. Ein solches Majorisiren, welches den Widerspruch der
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*!) S. 22 lI. g. m.