Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

582 Würtemberg. Kammer der Standesherrn. 
reiche Baiern, Sachsen und Würtemberg vereint sich dagegen erklären, so schützt 
sie ihr Widerspruch nicht; ihr Recht auf Festhaltung des gegenwärtigen Ver- 
trags muß sich beugen vor dem Willen der Mehrheit. Nur Preußen ist 
gegen jede Majorisirung gesichert. Eine derartige Verbindung von minder 
mächtigen Staaten mit einer Großmacht, wobei der Bundesvertrag selbft 
das Mittel gewährt, ohne formelle Rechtsverletzung Jenen auch den Rest 
der Hoheitsrechte, der ihnen vorerst noch belassen ist, vollends zu entziehen, 
eine derartige Verbindung bildet nicht mehr einen völkerrechtlichen Ver- 
trag, in ihr ist die staatliche Selbständigkeit der kleineren Bundesgenossen 
nicht mehr vorhanden, sie ist nur eine etwas verschleierte Form des Ein- 
heitsstaates. 
2) Art. 32 verbietet den Mitgliedern des Reichstages als solche eine 
Entschädigung zu beziehen. Wohl mag sich gegen die Bildung des Reichs- 
tages durch allgemeine und directe Wahlen mittelst geheimer Abstimmung 
der Einwand hören lassen, daß damit den ungebildeten Elementen des 
Volkes ein ungebührlicher Einfluß auf die Gesetzgebung verschafft wird. 
Aber wenn auch im großen Ganzen die Bildung ohne einiges Vermögen 
selten und aus diesem Grunde eine Bevorzugung der Besitzenden als Wählen- 
der gerechtfertigt sein mag, so ist doch Reichthum keineswegs die absolute 
Bedingung hervorragender Bildung und Befähigung, und sollten daher die 
Abgeordneten nicht blos aus den reicheren Klassen entnommen werden 
können. Diese Klassen werden schwerlich ein zahlreiches Contingent von 
Männern liefern, die mit der wünschenswerthen Befähigung zugleich die 
Möglichkeit und die Lust besitzen, ihre Zeit und ihr Geld, unter Hintanu- 
setzung ihrer eigenen Angelegenheiten, für lange dauernde Reichstagssitzun- 
gen zu opfern. Jene Bestimmung droht daher, wenn sie nicht etwa durch 
geheime Subvention umgangen wird, dem Reichstag Elemente zuzuführen. 
welche durch Beförderung im Staatsdienste oder sonstige Privatvortheile 
eine Entschädigung für ihre Mühewaltung als Abgeordnete zu erlangen 
trachten. Je entfernter ein Land von dem Sitze des Reichstags gelegen 
ist, je beschwerlicher daher die Theilnahme an dessen Sitzungen für die 
Angehörigen jenes Landes wird, desto mehr ist es berechtigt, jene Schatten- 
seite hervorzuheben. 
3) Abgesehen von allem Andern lassen schon die großen Geldmittel, 
welche den Bundesbehörden zur Verwaltung gegeben sind, nähere Be- 
stimmungen über die Verantwortlichkeit der Reichsminister wünschenswerth 
erscheinen. 
4) Bezüglich der nach Art. 80 einzuführenden Gesetze möge nur die 
Bemerkung gestattet sein, daß die kurze Zeit eine eingehende Prüfung der- 
selben nicht zuließ. 
In dem Bisherigen wurden die Hauptbedenken hervorgehoben, 
welche aus Rücksicht auf das Wohl des Vaterlandes dem Beitritt zu 
dem Vertrage entgegenstehen. Ihr Gewicht würde sich nur noch ver-
	        
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