588 Würtemberg. Kammer der Abgeorducten.
innerhalb der Kompetenz der Reichsgewalt erlassenes Bundesgesetz in Wür-
temberg Geltung hat, ohne daß dieses Gesetz der Zustimmung der Landes-
vertretung bedarf. Ich glaube aber,, es ist auf die Worte des Beschlusses
der Kammer der Standesherren ein Gewicht zu legen: „innerhalb der der
Reichsgesetzgebung überhaupt zukommenden Zuständigkeit“; es wollte damit
vermuthlich ausgedrückt werden, daß wo es sich um den Erlaß eines Gesctzes
handelt, welches nicht innerhalb der nach den Verträgen der Reichsgesetzge-
bung zukommenden Zuständigkeit erlassen wird sondern eine Ausdehnung
der vertragsmäßigen Kompentenz der Reichsgesetzgebung involvirt, allerdings
die Zustimmung der Organe der Landesgesetzgebung des Einzelstaates noth-
wendig ist. Es wäre dieß, wenn diese meine Auffassung die richtige ist,
jene Ansicht, welche ich mir erlaubt babe auch dem Herrn Justizminister
gegenüber in der Berathung über die Verträge geltend zu machen, nämlich
die von verschiedenen Seiten festgehaltene, von anderen bestrittene Ansicht,
daß eine Ausdehnung der Kompentenz der Reichsgewalt nicht auf dem Wege
einer Abänderung der Reichsrerfassung, sondern unrauf dem vertragsmäßigen Wege
der Zustimmung der einzelnen mit einander das Reich bildenden Staaten möglich
ist, daß also eine Ausdehnung ohne specielle Zustimmung nicht nur der
Regierungen im Bundesrath sondern auch der betreffeuden Landesrertretungen
nicht statthaben könne. Jedenfalls scheint es mir in hohem Grade wünschens-
werth zu sein, daß wir über einen Punkt, welcher von so außerordentlicher
Tragweite ist, nicht im Dunkeln bleiben.
Justizminister v. Mittnacht’'): Ich habe als Vertreter der K. Staats-
regierung der heutigen Sitzung des anderen Hauses angewohnt und habe den
betreffenden Beschluß der ersten Kammer allerdiugs dahin aufgefaßt, daß er
etwas gewissermaßen Selbstverständliches ausspricht und den Siun keineswege
enthält, welchen der Herr Abgeordnete von Hall in dem Beschlusse zu fin-
den geneigt ist. Ich konnte auch nach der ganzen Art und Weise, wie die
Sache vorgetragen worden, nichts auderes annehmen. Ich verstehe den Be-
schluß so. Das andere Haus wollte sagen: Die Minister sind rerfassungs-
mäßig rerantwortlich für ihre Thätigkeit, für ihre Wirksamkeit im Bundes-
rathe, aber es trifft sie selbstverständlich keine gesetzliche Verantwortlichkeit,
wenn sie die würtembergischen Bevollmächtigten im Bundesrathe anweisen,
der Abänderung würtembergischer Landesgesetze durch die Reichsgesetzgebung
zuzustimmen, vorausgesetzt natürlich, daß die Reichsgesetzgebung in der betref-
fenden Materie überhaupt zuständig ist. Das scheint mir der einfachste Sinn
der Bemerkung zu sein.
LHölder als Referent““): Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß
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I. g. m.
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