Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Bray. Luz. 593 
sind ihrer Natur nach vorübergehend, und es galt Dauerndes zu schaffen. 
Um in ein Verfassungsbündniß zu treten, wie das welches uns geboten war, 
war es nothwendig bedentende Zugeständnisse zu machen, Zugeständnisse so- 
wohl der Krone als des Landes an die Gemeinschaft. — Lassen Sie mich 
es offen aussprechen. Ich gehöre zu jener älteren Generation, welche an 
dem Gewohnten und Hergebrachten hängt, besonders wenn sich damit der 
tbeuere Name des baierischen Vaterlandes verbindet. Es ist mir daher der 
Entschluß schwer geworden. Die Opfer, die wir zu bringen haben, erhei- 
schen, daß die Landesvertretung einen Theil ihrer Rechte auf eine andere 
Versammlung übertrage, daß die Krone einzelne ihrer Rechte in die gemein- 
same Hand des Präsidiums lege, endlich daß das Land eine bedeutende pe- 
kuniäre Last auf sich nehme, freilich nur fürs Erste, aber vielleicht doch auf 
eine Reihe von Jahren. Diesen Thatsachen glaube ich, meine Herren, müssen 
wir mit Entschlossenheit in's Angesicht sehen, wenn wir uns nicht Täu- 
schungen hingeben und Enttäuschungen bereiten wollen. Aber auf der an- 
deren Seite begründen wir, indem wir den Verträgen unsere Zustimmung 
geben, ein Deutsches födcratives Bündniß, eine mächtige Gemeinschaft, aus- 
gestattet mit allen Attributen einer Großmacht ersten Ranges. In diesem 
Deutschland aber erhält Baiern durch die Verträge eine bevorzugte Stellung, 
welche seiner historischen und seiner geographischen Bedeutung entspricht und 
welche ihm die Möglichkeit giebt Einfluß zu üben auf den Bund und durch 
den Bund auch auf weitere Kreise seine Wirksamkeit zu erstrecken. Wir be- 
gründen damit das, was fortan heißen wird „das Deutsche Reich"“. Das 
sind die Nachtheile und die Vortheile, welche beim ersten Anblicke von den 
geschlossenen Verträgen für uns zu erwarten find. Möge es Ihnen gefallen, 
meine Herren, denselben Ihre Aufmerksamkeit und Würdigung zuzuwenden. 
In dieser hochwichtigen Frage ist die baierische Landesvertretung berufen, 
ihren Antheil zu nehmen wie an der Entscheidung so auch an der Verant- 
wortlichkeit. Diese wenigen Worte hatte ich von meinem Standpunkte aus 
an Sie zu richten, und überlasse es dem Herrn Staatsminister der 
Justiz, von welchem die schließliche Fassung der Verträge herrührt, auf 
deren Inhalt näher einzugehen. 
Minister v. Tutz"): Die Verträge, welche von uns abgeschlossen worden 
sind, sind folgende. Der wesentlichste Inhalt unserer Abmachungen ist in 
dem Hauptvertrage enthalten. Daran schließt sich ein Schlußprotokoll mit 
einigen interpretativen und ergänzenden Bestimmungen an und endlich ein 
Beitrittsprotokoll d. d. Berlin den 8. Dezember. Nachdem die Verträge 
mit den verschieden Staaten einzeln abgeschlossen waren, konnte natürlich ein 
Ganzes nur dadurch erzielt werden, daß der Norddeutsche Bund und die 
— — — 
*) St. B. S. 23. Die erste Hälfte der Rede ist bereits oben in der Oistorischen 
Einleitung S. 111 abgedruckt. 
Aneriallen I11. 38
	        
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