Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

608 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
beizugehen, denn ich müßte fürchten, es möchte aus einem Steinsarge heraus 
von unsichtbarer Hand gestoßen ein Mauerstück vom Dache fliegen und mich 
zermalmen — zum Lohne für die so gut gerathene „dritte Großmacht in 
Demschland.“ Aber, meine Herren, die „innere Agitation“ hat die Zwangs- 
lage geschaffen, welcher die k. Staatsregierung nach ihrem Geständnisse unter- 
legen ist. Nun, Eins muß ich sofort bemerken über das Motiv dieser inne- 
ren Agitation. Es ist doch wohl ein eigenthümliches Motiv gegenüber den 
Herren, die auf der rechten Seite dieses Hauses sitzen, denn diese Herren 
sind ja vom Volle gewählt und in die Kammer hineingeschickt worden, um 
dieser inneren Agitation zu widerstehen, um diese innere Agitation nicht 
weiter überwuchern zu lassen. Ja wohl, meine Herren, nicht Einer von uns 
hat am 3. Januar vor. Js. seinen Sitz auf dieser Seite des Hauses einge- 
nommen, der nicht vor dem Volke die Verpflichtung übernommen hätte, der 
inneren Agitation sich nie und nimmermehr zu beugen, sondern derselben 
jeden Zollbreit Bodens streitig zu machen mit aller Kraft. Ich enwähne ja 
allbekannte Thatsachen. Es kommt aber noch ein Umstand von schwer wie- 
gendem Gewicht hinzu. Die Herren auf der rechten Seite des Hauses sind 
als Majorität in dies Haus geschickt worden. Trotzdem daß bei zwei Wahlen 
die damalige k. Staateregierung ihren offiziellen Einfluß wahrlich nicht zu 
Gunsten verwendet hat, trotzdem daß die k. Staatsregierung damals das 
ganze Gewicht der Regierungs-Machtmittel in die Wagschale" unserer Geg- 
ner geworfen hat, trotzdem sind wir als Masorität hier eingezogen, und es 
kann Niemand sagen, wie es erst dann gegangen wäre, wenn wir wirklich 
freie Wahl gehabt hätten. Eben aber wenn dem so ist, was wäre es 
denn gewesen, wenn die k. Staatsregierung die Zumuthungen der inneren 
Agitation zurückweisend auf die legitime Mehrheit dieser Volksvertretung 
sich gestützt hätte, anstatt sich das Programm der Minorität oktroviren zu 
lassen? Was wäre es denn gewesen? Ich denke, es wäre das eben recht 
constitutionell gewesen. Und hätte die k. Staatsregierung so gehandelt, 
dann, meine Herren, — es ist dies meine feste Ueberzeugung, — hätte es 
sich gezeigt, welche Bewandtuiß es mit dieser inneren Agitation hat, es 
hätte sich gezeigt, wo die Ursachen der so beklagenswerthen iuneren Zer- 
setzung liegen. In dem regierten Volke meine Herren, liegen sie nicht. 
Ich kann mir, meine Herren, wohl denken, daß in manchen Herzen Derzjeni- 
gen, die mir hier zuhören, sich der Gedanke erhebt: wie kann dieser Refe- 
reut jetzt über diese hochwichtige und entscheidende Frage sprechen, ohne 
n m ein Wort zu sagen von dem „nationalen Geiste“, von der „nationalen 
Idee", von einem den Bedürfnisseu der Einigung eutsprechenden Deutsch- 
land! Nun, meine Herren, ich komme jetzt darauf zu sprechen, und knüpfe 
an die Erläuterungen an, die Seine Excellenz der Herr Staatsminister 
v. xutz in der Sitzung vom I4. Dezember hier gegeben hat?'). Seine 
) S. oben S. 111 fJg- besonders S 115 unten und fg.
	        
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