1371. M. Barth. 629
sonders diese Furcht nicht getheilt baben und dieselbe nur in Baiern besteht.
Ich denke, wenn es wirklich so etwas Gräßliches wäre, würde man doch auch
in Würtemberg, man wwürde in Baden, man würde in Hessen deuselben
Horror empfinden, wie er hier in diesem Hause ausgesprochen wird. Ich
komme nun auf die politische Isolirung zu sprechen. Der Herr Referent
hat hier betont: daß der casus socleris durch den Vertrag aus der Welt
geschafft werde, das sei nicht, wie das Minoritätsgutachten meint, etwas
Gutes, sondern das sei gerade sehr gefährlich, denn wir liefen damit Gefahr,
daß wir an der Seite Prcußens und Rußlands in wenigen Jahren gegen
die 10 Millionen unserer Deutschen Brüder in Oesterreich kämpfen müßten.
Es würde mir ein Vergnügen machen, wenn ich dem Herru Referenten ans
dieser Besorgniß helfen könnte. Ich theile sie nicht. Wir haben keinen Grund
zu solchem Kampfe. Deutschland hat das, was es braucht. Es ist mit seinen
nahezu 40 Millionen Einwobnern und straffen Verfassung die erste Conti-
nentalmacht in Guropa vielleicht, jedenfalls nach Rußland. Was gewinnt
aber Deutschland dabei, wenn es die deutsch-österreichischen Provinzen an sich
zieht? Seine Aufgabe ist jetzt, die innere Entwicklung in dem nengeschaffenen
Reiche zu fördern; die ganze Aufgabe des Demschen Staates würde sich aber
in dem Augenblicke total ändern, wo wir die Czechen und Südflaren in un-
sere Grenzen hereinnehmen würden. Dann hätten wir statt der friedlichen
Entwicklung unseres Staates und der Förderung unserer National-Interessen
einen Racenkampf zu führen, und so klug ist man in Berlin gewiß, daß
man diesen Racenkampf zu führen lieber Oesterreich überläßt als ihn selbst
übernimmt. Ueberhaupt, meine Herren, wenn die Gefahr eines künftigen
Krieges besteht, so geht sie nach einer ganz anderen Richtung, dann werden
Oesterreich und das Reich gegen den andern Faktor zusammenstehen müssen,
welchen der Herr Referent genannt hat. Gegenwärtig ist unser Verbältniß
zu Rußland gut, aber es ist kein Gebeimniß, daß dabei viel auf der Persön-
lichkeit des gegenwärtig regierenden russischen Kaisers rubt. Lassen Sie den
Kaiser Alexander die Augen zuthun, so ändert sich die Sitnation. Sie
wissen, welche Gesinnung die Altrussen gegen Deutschland baben. Gs ist
auch kein Geheimniß, wie der Großfürst-Nachfolger denkt. Ich will auf diese
Dinge nicht näher eingehen, aber wir müssen gefaßt sein, daß einmal in der
Kussischen Politik gegen Deinschland eine ähnliche plötzliche Aenderung eintritt,
wie sie seinerzeit im siebenjährigen Kriege in umgekebrter Richtung eingetreten
ist, und dann haben wir auf dem Kontinente keinen anderen Verbündcten,
als Oesterreich. Ueberhaupt Oesterreich und das Reich sind die natürlichen
Verbündeten. Das war meine Meinung von je, und wenn erst in Oester-
reich der Schmerz über die nothwendige politische Trennung übermnden ist,
werden Oesterreich und das Reich auf dem Gebiete der Allianz und des
berzlichen Einverständnisses zusammenkommen. Meine Herren! Ich habe nur
das Eine zu wünschen, daß, wenn einmal die Ereignisse uns mit Oesterreich
zugleich in's Feld rufen, daß dann Oesterreich im Innern so konsolidirt und