646 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
es werden Rechte der baierischen Krone und Rechte des baierischen Volkes
aufgegeben, ohne daß sie einen Ersatz fänden in den Rechten des Bundes-
rathes und in den Rechten der Vertretung des Deutschen Reiches; und als
vorzüglichstes Recht dieser Gattung hat man bezeichnet das angebliche Recht
der preußischen Krone, in Bezug auf die Militärausgaben und die Kriegs-
lasten so lange Alles beim Alten zu lassen, als es der preußischen
Krone beliebe. Schon der Herr Referent der Kammer der Reichsräthe
hat in dieser Richtung Ausführungen gemacht, und der Herr Referent der
Kammer der Abgeordneten ist demselben gefolgt. Der Herr Referent hat
ausgerufen: „Hat vielleicht Herr Reichsrath von Neumayr geirt, als er
diese Sätze aufstellte? und habe ich vielleicht — hat unser Herr Referent
gesagt — Unwahres gesagt, indem ich behauptet habe, bei der Krone
Preußen allein steht das ewige, das „eiserne Budget“? Darauf, meine Herren,
muß ich mit aller Entschiedenheit antworten: Jawohl! Es hat der Herr Re-
ferent der Kammer der Reichsrätbe sich geirrt und es ist nicht richtig,
was in unserem Referate über diesen Punkt steht. Ich habe von verschiede-
nen Seiten, namentlich von gegnerischer Seite gehört, daß der Punkt des
„eisernen Budgets“ und der damit zusammenhängenden Belastung, des abso-
lutistischen Militärstaates, wie man es geheisten hat, des Militarismus, wie
das Schlagwort lautet, der Punkt es sei, der in Bezug auf die Nordbunds-
verfassung dieselbe unannehmbar mache. „Würde mir (so ist mir von gegne-
rischer Seite gesagt worden) nachgewiesen, daß die Sache nicht so sei, so licße
sich wohl ein Wort mit mir sprechen und ich würde nicht Gegner des Vertrages
sein.“ Ich kann nun aber das nachweisen und werde es nachweisen nicht
lediglich mit juristischen Deduktionen, sondern ich glaube, ich kann und werde
es nachweisen aus den Verhandlungen des Norddeutschen Reichstages mit
solcher Eridenz, daß selbst die Feinde und Gegner, wenn sie der Wahrheit
die Ehre geben wollen, werden sagen müssen: ja wir haben uns geirrt, und
es liegt ein großer Irrthum ver. Die Sache, das werden Sie mir zu-
geben, ist von entscheidender Wichtigkeit, und nachdem ich von Ihnen
nicht verlange und verlangen kann, daß Sie den Bebauptungen, die ich Ihnen
gebe, folgen müssen, so müssen Sie mir erlauben, daß ich, was man sagt,
einen diplomatischen, mit Urkunden belegten Nachweis, bezüglich meiner Be-
hauptung bringe. Der Herr Referent bemerkt in seinem Referate, es habe
bei Schaffung der Nordbundsrerfassung in der Absicht gelegen, die soge-
nannten Verfassungslücken in Bezug auf das Budgetrecht auszufüllen. Der
Herr Referent spricht von dem Minoritätsgutachten, welches dieselte Inter-
Fretation der betreffenden Verträge enthält, und sagt dann: „Diese Inter-
pretation widerspricht schnurgerade sowohl dem Wortlaute der einschlägigen
Bestimmungen, ale der Entstehumgsgeschichte derselben. Die einschlägigen
Bestimmimgen der Nordbundsverfassung hatten den Zweck, den voraus-
gegangenen vierjährigen Verfassungsstreit definitir abzuschließen, und die be-
kannte „Verfassungslücke“ zu Gunsten des unbeschränkten Rechter der Krone