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tiven Partei der mindeste Zweifel vorhanden, daß mit diesem Amendement
das volle Budgetrecht des Hauses nach dem Jahre 1871 auch be-
züglich des Militäretats gewahrt sei. Das ist auch von Bismarck anerkunnt
worden, und Bismarck hat gesagt und zwar in der Sitzung vom 16. April. Reichs
tags-Verhandlungen S. 719 (s. oben Bd. II. S. 702): „Ich habe mir gestern
vorbehalten, im Laufe der Diskussion bei den betreffenden Artikeln diejenigen
Amendements zu bezeichnen, welche den von den verbündeten Regierungen
gefaßten Beschlüssen entsprechen. In diesem Sinne erkläre ich, daß das
Amendement des Grafeu zu Stolberg mit diesen Beschlüssen übereinstimmt,
und die Vertreter der Regierungen daher verpflichtet sind, an demselben fest-
zuhalten. Das Amendement des Herzogs von Ujest läßt die Möglichkeit.
auf dem Wege, welchen der Herr Abgeordnete für Hagen angedeutet bat,
im Jahre 1872 einen Budgetkonflikt, einen Militärkonflikt zu erneuem,
dessen Folgen sich in diesem Augenblicke nicht übersehen lassen. Wer daber
entschlossen ist, diesen Konflikt zu verhüten, der muß mit uns in dieser Frage
für das Amendement des Grafen zu Stolberg stimmen.“ Graf Stelberg
hatte aber gewollt, daß das sogenannte „eiserne Budget“ festgestellt werde.
Also der Vertreter der Regierung, Graf Bismarck, billigt bezüglich des
Vorschlags Ujest-Bemigsen „die Möglichkeit, welche der Abgeordnete für
Hagen angedeutet hat.“ Bismarck also billigt die Interpretation des Ak-
geordneten für Hagen, die dieser dem Amendement Ujest gegeben hat. Es
wolle also die Möglichkeit der Ermenerung des Konfliktes für das Jahr 1872
offen behalten werden, und deshalb räth Bismarck dem Reichstag, für
das Amendement Stolberg zu stimmen. Was hat aber das Haus getban!
Das Haus hat das Amendement Stolberg verworfen und hat also nicht
für die Schlichtung des Konfliktes durch das eiserne Budget, sondem
für die Offenhaltung des sog. Koufliktes, d. h. für das Budgetrecht
des Hauses sich entschieden. Man kam aber auch noch bei der Schluß-
berathung, man kam wiederholt auf den betreffenden Punkt zurück. Es
ist behauptet worden, man dürfe einen derartigen Konflikt nicht offen lassen.
Aber in dieser Beziehung und was die Konuflikte überhaupt anlangt, wurde
allgemein anerkannt, daß, wenn man überhaupt vom konstitutionellen
Leben noch sprechen wolle man die Möglichkeit von Konflikten niemals werde
vermeiden können; es liege das so in der Natur der Sache, daß, wenn
Zwei mit einander dasselbe Recht ausüben, die Möglichkeit eines Ken-
fliktes gegeben ist. Schulze hat in dieser Beziehung Bismarck gegenüber
folgendermaßen sich ausgedrückt: „Aber sehen Sie doch die Konsequenz
dieses Satzes! Ja, mein Gott, dann müssen Sie so überhaupt alles koniti-
tutionelle Leben cbschaffen, wenn Sie solche Konflikte von vornherein un-
möglich machen wollen, dann darf eben nur ein einziger Faktor der
Gesetzgebung sein, dann nur Giner sein, der einen maßgebenden Willen in
Staatssachen hat, wenn ein Konflikt überhaupt nicht möglich sein soll. Die
Möglichkeit eines Konfliktes liegt also in dem Prinzipe des konstitutionellen