Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

652 Balern. Kammer der Abgeordneten. 
tiven Partei der mindeste Zweifel vorhanden, daß mit diesem Amendement 
das volle Budgetrecht des Hauses nach dem Jahre 1871 auch be- 
züglich des Militäretats gewahrt sei. Das ist auch von Bismarck anerkunnt 
worden, und Bismarck hat gesagt und zwar in der Sitzung vom 16. April. Reichs 
tags-Verhandlungen S. 719 (s. oben Bd. II. S. 702): „Ich habe mir gestern 
vorbehalten, im Laufe der Diskussion bei den betreffenden Artikeln diejenigen 
Amendements zu bezeichnen, welche den von den verbündeten Regierungen 
gefaßten Beschlüssen entsprechen. In diesem Sinne erkläre ich, daß das 
Amendement des Grafeu zu Stolberg mit diesen Beschlüssen übereinstimmt, 
und die Vertreter der Regierungen daher verpflichtet sind, an demselben fest- 
zuhalten. Das Amendement des Herzogs von Ujest läßt die Möglichkeit. 
auf dem Wege, welchen der Herr Abgeordnete für Hagen angedeutet bat, 
im Jahre 1872 einen Budgetkonflikt, einen Militärkonflikt zu erneuem, 
dessen Folgen sich in diesem Augenblicke nicht übersehen lassen. Wer daber 
entschlossen ist, diesen Konflikt zu verhüten, der muß mit uns in dieser Frage 
für das Amendement des Grafen zu Stolberg stimmen.“ Graf Stelberg 
hatte aber gewollt, daß das sogenannte „eiserne Budget“ festgestellt werde. 
Also der Vertreter der Regierung, Graf Bismarck, billigt bezüglich des 
Vorschlags Ujest-Bemigsen „die Möglichkeit, welche der Abgeordnete für 
Hagen angedeutet hat.“ Bismarck also billigt die Interpretation des Ak- 
geordneten für Hagen, die dieser dem Amendement Ujest gegeben hat. Es 
wolle also die Möglichkeit der Ermenerung des Konfliktes für das Jahr 1872 
offen behalten werden, und deshalb räth Bismarck dem Reichstag, für 
das Amendement Stolberg zu stimmen. Was hat aber das Haus getban! 
Das Haus hat das Amendement Stolberg verworfen und hat also nicht 
für die Schlichtung des Konfliktes durch das eiserne Budget, sondem 
für die Offenhaltung des sog. Koufliktes, d. h. für das Budgetrecht 
des Hauses sich entschieden. Man kam aber auch noch bei der Schluß- 
berathung, man kam wiederholt auf den betreffenden Punkt zurück. Es 
ist behauptet worden, man dürfe einen derartigen Konflikt nicht offen lassen. 
Aber in dieser Beziehung und was die Konuflikte überhaupt anlangt, wurde 
allgemein anerkannt, daß, wenn man überhaupt vom konstitutionellen 
Leben noch sprechen wolle man die Möglichkeit von Konflikten niemals werde 
vermeiden können; es liege das so in der Natur der Sache, daß, wenn 
Zwei mit einander dasselbe Recht ausüben, die Möglichkeit eines Ken- 
fliktes gegeben ist. Schulze hat in dieser Beziehung Bismarck gegenüber 
folgendermaßen sich ausgedrückt: „Aber sehen Sie doch die Konsequenz 
dieses Satzes! Ja, mein Gott, dann müssen Sie so überhaupt alles koniti- 
tutionelle Leben cbschaffen, wenn Sie solche Konflikte von vornherein un- 
möglich machen wollen, dann darf eben nur ein einziger Faktor der 
Gesetzgebung sein, dann nur Giner sein, der einen maßgebenden Willen in 
Staatssachen hat, wenn ein Konflikt überhaupt nicht möglich sein soll. Die 
Möglichkeit eines Konfliktes liegt also in dem Prinzipe des konstitutionellen
	        
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