Völk. 659
sazten, daß nothwendig einmal eine freiheitlichere Eutwicklung in Deutsch-
land kommen müsse, daß die Militärlasten geringer werden müßten, sagte
er: „Ja, zu wünschen wäre es. Wenn man fort und fort gegen mich mit
dieser Forderung losgeht, so kann man mich vielleicht veranlassen, daß ich
von meinem Platze abtrete, aber (sagte er) ich werde mich widersctzen so lange
ich kaun, und ich will mich lieber von einer Revolution in den Straßen
Berlins in Stücke reißen lassen, als daß ich einmal mein Land in die Ge-
fahr bringen wollte, die Franzosen in Berlin einziehen zu sehen.“ Das ist
auch ein Bismarckisches Wort. Nun seien wir dankbar dafür, daß der Nor-
den mit Aufopferung und Anspannung seiner Kräfte mehr gethan hat, als
wir im Verhältnisse geleistet haben. Was sind denn 30 Millionen Schul-
den, die wir machen, — was sind sie, oder was sind 50, was find 150
Precent Steuern, wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß es den deutschen
Heeren nicht gelungen wäre, die französischen Horden von den Grenzen un-
seres Landes abzudämmen: — denken Sie, o! 30 Millionen, 300 Millionen!
c denken Sie sich 150 Procent Steuer! — Der Ruin des Landes, die Knecht-
schaft Deutschlands, der Mord unserer Söhne und die Schändung unserer
Frauen und Töchter, das wäre gekommen, wenn es nicht gelungen wäre,
kaß von den Grenzen Deutschlands die fremden Horden wären abgehalten
worden. Angesichts solcher Thatsachen, dächte ich, stünde es dem deutschen
Manne mehr an, mit Dankbarkeit derjenigen zu gedenken, welche
schon die kühle Erde deckt, als jetzt gerade in diesem Augenblicke es
zum Gegenstande von Mäkeleien zu machen, wie viel oder wie wenig für
unser Heer auszugeben sei. Man hat nun in dem weiteren Verlaufe der
Discussion davon gesprochen, was wir an Freihciten einbüßen. Ja, die
Freiheit sei nicht gewahrt, die Freiheit! die Freiheit! — Nun, daß das
VWert Freiheit immer etwas zauberisch Klingendes auf jener äußersten linken
Seite hatte, auf der Ein Vertreter derselben sitzt, das weiß ich, o das weiß
ich schon lange. Aber es ist eine neue Erscheinung, es ist eine ganz neue
Erscheinung, daß auf der entgegengesetzten Seite dieser Zauber auf einmal
eben so stark da ist. Früher hat man von dorther vor nichts mehr als vor
der „falschen Sucht nach Freiheit“ warnen hören, und ich möchte in dieser
Bezichung ein Wort wiederholen, was der Herr Justizminister einem
Herrn Reichsrath auf dessen brennendes Verlangen nach Freiheit gesagt hat.
E hat gesagt: „Seien Sie überzeugt, den Bedarf von Freiheit, den Sie
nothwendig habeu, wird Ihnen der Deutsche Reichstag auch liefern.“ Allein
es ist damit, daß man lediglich vom Worte Freiheit spricht, gar nichts
gethan. Wir wollen einmal die einzelnen Gesetze, wir wollen den Inhalt
der Gesetze ansehen, und den Zustand, wie er wird, wenn wir in den Deut-
schen Bund eintreten, und wie er setzt ist. Ich knüpfe zunächst an das Bud-
getrecht an. Wenn man davon sxricht, daß im Norden die freie Disposition
über die Gelder des Staates den Abgeordneten entzogen sei, und wenn man
das als Grund anführt, warum wir nicht eintreten sollen, so würde ich das
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