660 Batern. Kammer der Abgeordneten.
begreifen, wenn wir nicht die Erfahrungen gemacht hätten, die wir in
Baiern wirklich gemacht haben. Es ist vielleicht nur der etwas kurzen Lauf-
bahn des Herrn Referenten in dieser Kammer zuzuschreiben, daß er nicht
weiß, was es eigentlich um das Budgetrecht des baierischen Abgeordneten-
hauses ist. Man muß zwar seine schwarze Wäsche nicht vor den Fremden
waschen, aber Eines — das ist ja öffentlich geschehen — muß doch anerkannt
werden. Wir auf dieser Seite waren seiner Zeit einmal der Ansicht, daß
Baron v. d. Pfordten ungerechtfertigter Weise 40,000 fl. zu einem ge-
wissen Zwecke ausgegeben hatte, der wahrhaftig mit den baierischen Staats-
zwecken nichts zu thun hatte. Wir waren einmal der Ansicht, daß der Herr
Kriegsminister v. Lüder so und so viel Millionen verausgabt hatte, wozu
ihm absolut ein Recht nicht zugestanden ist. Wir haben nun, wir auf
dieser Seite, sorgfältig nachgesucht, welche Mittel es gäbe, um einen Minister
wegen Verletzung seiner Verantwortlichkeit zur Rechenschaft zu ziehen und zur
Strafe und zum Ersatze zu bringen. Aber wir haben gefunden, daß unsere Ver-
fassung ein derartiges Mittel nicht enthält, ausgenommen die Ministeranklage.
Wir haben Anträge gestellt bei Gelegenheit der Nachweisungen, wir haben
Verwahrungen eingelegt, wir haben zum Ersatze dekretirt: das Alles ist für nichts
gewesen, und wir älteren Leute, die wir das mitgemacht haben, sind dann zu
einer Erklärung veranlaßt worden, daß wenn noch so viel ungerechtfertigt
ausgegeben werde, wir niemals mehr eine Verwahrung einlegen, daß wir
niemals mehr einen derartigen Antrag stellen; denn sie führten ja alle zu
Nichts. Das sind praktische Erfahrungen. Nun sagen Sie: die Minister-
anklage! Die Ministeranklage verlangt aber die erschwerte Form und rer-
langt namentlich die Zustimmung beider Kammern; eine Kammt allein,
welche die Gelder bewilligt, kann hienach nicht behaupten, daß eine Aus-
gabe und wenn sie noch so evident ungerechtfertigt ist, ungesetzlich gemacht
worden sei. So, meine Herren, steht es bei uns mit dem Budgetrecht. Ich
glaube, daß ich den Herren Ministern kein Geheimniß verrathen habe,
und wenn sie auch bis jetzt davon keinen Gebrauch gemacht haben, so ist das
tbatsächlich lobenswerth und ich will hoffen, daß sie niemals in die Lage
kommen werden, davon Gebrauch zu machen. Das ist eben der Zustand eines
Kompromisses zur Vermeidung eines Konfliktes. Wenn man uns nun
weiter sagt, in anderer Beziehung hätten wir Baiern so viel Rechte und
Freiheiten, viel mehr als die im Nordbunde, — nun, wir haben uns die
Sozialgesetzgebung als unsere spezielle Sparte vorbehalten, wir sind gewisser-
maßen damit befriedigt, daß man das gethan hat, — wir sind damit von
dem Reichsbürgerrechte glücklich ausgeschlossen worden —; das ist eine Freiheit
mehr, die wir in Baiern haben! Man hat davon gesprochen, daß die Re-
gelung der Gesetze über das Vereins= und Preßwesen nun zur Kompetenz des
Reichs gehöre, und hat geglaubt, wir würden in Baiern dadurch unendliche
Einbuße erleiden. Ich will zuerst vom Vereinegesetze sprechen. O, das
Vereinsgesetz, meine Herren! „Jeder Baier hat das Recht, sich ruhig und