662 Balern. Kammer der Abgcordueten.
die Kraft anlangt, welche eine süddeutsche Vertretung im Norden üben könnte,
davon, dächte ich, haben wir wohl auch seiner Zeit schlagende Beweise gehabt.
Man sagt, man werde uns in Berlin majorisiren. Ja, wer soll uns denn
majorisiren! Wir aus dem Süden sind zu ungefähr achtzig im Zollparla-
ment gesessen. Wir haben leider nicht immer gerade dieselben Ziele und Zwecke
verfolgt. Ich kann mir aber einbilden, daß, wenn wir wieder zu achtzig
einmal nach Berlin zögen, wir nicht mehr auf den Bahnhöfen, auf denen
wir uns treffen, schen einander ausweichen würden, weil der eine da, der
andere dorthin zieht, ich könnte mir wohl ein Verhältniß einbilden, wie wir
im Interesse des berechtigten Partikularismus, im Interesse der freiheitlichen
Entwickelung, im Interesse der Volksrechse alle miteinander Hand in Hand
gchen könnten, Sie auf dieser Seite und wir auf der andern Seite, und wo
wir mit Würtemberg, Baden, Hessen, Sachsen und noch vielen andern Hand
in Hand gehen würden, — da glauben Sie dennoch, daß dabei Gefahr sei,
der großen Vertretung, hervorgegangen aus allgemeinen Wahlen, — daß es
Gefahr sei, dieser Vertretung Volksrechte anvertrauen zu können? Wahr-
lich, das kann Ihr Ernst nicht sein, das kann man im Ennste nicht befürch-
ten. Wir (die Mainbrücke) haben, wie die Parteiverhältnisse dort beschaffen
waren, mit 20, 24 Stimmen nach Umständen die Entscheidung gegeben.
Wenn erst ganz Süddeutschland zusammenhält, so wird es ein Gewicht im
Deutschen Bunde haben, das wahrlich nicht zu unterschätzen wäre. Man
sagt nun, — und das scheint der Hauptgrund zu sein, warum die Verträge
verworfen werden sollen, — daß Baiern, daß sein Königshaus dadurch media-
tifirt werde, daß das verloren ginge, was eine berechtigte Selbstständigkeit
anzusprechen habe. Ich berufe mich in dieser Beziehung auf die Ausführun-
gen, welche der Herr Referent in der Reichsrathskammer gemacht hat. Die
Souveränität in dem Sinne, wie sie jetzt angesprochen wird, hat Baiern
niemals gehabt, niemals! Die Souveränität Baierns, wie sie unterm
Deutschen Reich war — doch ich will darauf nicht zurückkommen. Wenn
die einzelnen baierischen Herzöge und Churfürsten das Reich rerlassen haben
und dem Reiche gegenübergestanden sind, so glaube ich, hat man das im
Interesse des Vaterlandes immer nur zu bedauern gehabt. Dann kam der
Rheinbund. Wie oft soll ich noch darauf aufmerksam machen, meine Herren,
welche Souveränität der Rheinbundsfürst, der König von Baiern, dem Pro-
tekto#r des Rheinbundes gegenüber hatte? Es sind leider viele unscrer Söhne,
Brüder und Väter auf französischer Erde gefallen. Aber der Kampf für die
Grenzen des eigenen Landes, der Kampf für die Existenz des eigenen Landes,
der so schwere Opfer gekostet hat, ist doch ganz gewiß lange nicht zu ver-
gleichen mit der Heer folge, welche seinerzeit dem französischen Kaiser ge-
leistet werden mußte und welche zur Folge gehabt hat, daß 30,000 baierische
Jünglinge in Rußland erfroren sind. Wo war denn da die berechtigte
Eigenthümlichkeit Baierns, wo war denn da die berechtigte Souveränität
Baierns'? Und wahrlich, durch die Ironie, daß man diese 30,000 für die