Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

666 Baiern. Kammer dor Abgeordneten. 
unseres gemeinsamen Zieles, in der Vereinigung liegt der Dank. Ein 
Fremder, wenn er einer Familie einen Dienst geleistet hat, läßt sich ab- 
lohnen; der entfremdete Sohn, der vom Vaterhause vielleicht einmal im 
Unfrieden weggegangen ist, der Sohn, wenn er Gelegenheit hat, dem Vater 
und den Geschwistern unter die Arme zu greifen und ihnen in der Noth zu 
helfen, — weun er sie gerettet hat der zu rückkehrende Sohn, findet er 
seine Belohnung nicht darin, daß man ihn abgelohnt wieder fortschickt und 
ihn dranßen läßt, sondern daß man ihn aufnimmt an den Heerd, daß er 
fortlebt am Herzen der Eltern und Geschwister fortan im Vaterhause, das 
ist sein Lehn. Oder, meine Herren, eine Braut, sie ist aufopferungsfähig, 
sie thut Allce für das Ideal, das im Herzen liegt, es gelingt ihr auch, 
durch eine aufopfernde That das Schicksal ihres Bräutigams auf das 
Beste zu stellen, — ei! meine Herren, was glauben Sie denn, was die 
Braut, welche sich mit ibrem Herzen nach Vereinigung sehnt, von ihrem 
Bräutigam denken würde, wenn er sagen würde: „Die Liebe kann ich 
Dir nicht geben, aber die Freibeit schenke ich Dir.“ Ich glaube 
also, daß das, was man von Belohnung spricht, an und für sich von der 
Voraussetzung ausgeht, daß wir uns nicht gegenseitig angehören, daß wir 
uns einander nicht näher angehören wollen. Und das gerade soll nicht sein! 
Ich habe nun vielleicht zu lange in dem trockenen Tone der Gründe ge- 
sprochen, warum es für uns vortheilhafter sein werde, in das allgemeine 
Deutsche Vaterhaus wieder einzutreten. Nur nech ein paar Gefühlsworte. 
Sind es denn und können es denn blos abwiegende Gründe sein, welche Sie, 
welche uus Alle hinziehen, das Werk zu vollbringen, das wir so lange er- 
lehnt habe? Ich bitte Sic, wenn der Lauf, wenn die Zeit, wenn der Beruf, 
dem Sie sich hingegeben haben, wenn die Geschäfte, wenn die Studien alle 
wenn die Pflichten die Ihnen obgelegen baben, wenn ein sturm= und ein 
drangvolles Leben über Sie hinweggegangen ist und starke Furchen zurückge- 
lassen hat, ich bitte Sie, meine Herren, greifen Sie doch noch einmal zurück 
in Ihre schöne Ingendzeit und fragen Sie sich, — fragen Sie sich, ob in Ihrem, 
Herzen nicht noch eine Stelle ist, nicht noch eine Saite, welche beim Namen 
des Vaterlandes wiederklingt! Fragen Sie sich, ob das Alles trocken, ob 
Alles eingetrecknet ist! Ich kann es nicht glauben, ich darf es und ich 
will es nicht glauben, denn ich kann mich in einen derartigen Zustand nicht 
versetzen. Lassen Sie neben dem Interesse auch das Gefühl für die Kraft 
und die Größe der Deutschen Nation in Ihnen wirken! Sehen Sie hinweg über 
Alleo das, was klein ist, sehen Sie die Aufgabe dieser großen Nation an, 
die Humanität immer weiter und weiter zu tragen, die wahre Kultur, die 
ächte Kultur auf den Thron zu setzen. Stellen Sie dieser Aufgabe, stellen 
Sie ihr nicht irgend ein Hinderniß in den Weg! Nicht, als ob ich glauben 
würde, es könne dieser Abgeordnetenkammer gelingen, die Geschichte zum 
Rückwänsgehen zu zwingen, nein, meine Herren, das glaube ich nicht, 
die Geschichte wird sich vollenden. Sie soll aber auch nicht ein dunkles
	        
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