Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

670 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
Herrn Dr. Gerstner betreffs der jetzt geltenden Systeme im Handelswesen, 
fordert mich einigermaßen heraus, diesen Punkt zu besprechen. Allein auch 
das lasse ich bei Seite, mir scheint die Sache so großwichtig nicht zu sein. 
Aber Herr Dr. Sepp hat neulich namentlich eine Aeußerung gethan, mit 
der er wenigstens die katholischen Geistlichen auf dieser Seite zur Annahme 
der Verträge bewegen zu können meint. Herr Dr. Sepp hat aufmerksam 
gemacht, daß, wenn wir die Verträge ablehnen, ein fortschrittliches Ministe- 
rium eintreten wird, und daß in Folge dessen es sofort darangehe, eine Reihe 
von Gesetzen zu bringen, die dem katholischen Klerus nicht wohl bekommen 
möchten. Er hat namentlich erwähnt, daß eines der Gesetze, die dann kom- 
men würden, die Wegnahme des Pfarrwiddums, also des Besitzes von Grund 
und Boden der Pfarrer bezielen werde. Das hat Herr Dr. Sepp dem 
katholischen Klerus besonders ans Herz gelegt und gefragt, ob denn das schon 
gehörig beherzigt worden sei oder nicht. Meine Herren! Ich glaube, daß 
mit diesem Satze, daß mit der Aufforderung zur Beherzigung eines solchen 
Punktes nicht das erreicht worden ist und erreicht werden kann, was der 
Herr Redner erreichen wollte, sondern eher das Gegentheil. Meine Herren! 
Ich habe eine viel zu hohe Meinung von den katholischen Pfarrern, als daß 
ich glauben könnte, daß einer von den Herren, die hier in der Kammer sitzen, 
durch ein solches Schreckmittel sich in der Abstimmung nur im Geringsten 
beirren lassen konnte. (Bravol) Wenn aus Rücksicht auf einige Gulden, 
welche ein katholischer Pfarrer aus seinem Pfarrwiddum bezieht, er in der 
wichtigsten Frage, die seit dem Bestande der Verfassung der Kammer vor- 
liegt, seine Abstimmung modificiren würde, dann wäre das nicht ein katho- 
lischer Pfarrer, es wäre Einer, der von keiner Seite auch nur im geringsten 
Maße auf irgend eine Achtung Anspruch machen könnte. (Bravol) Also dieser 
Grund kann nicht ziehen. Es gibt noch etwas Anderes, was auch schon 
vielfach berührt worden ist, und womit man vielfach auf die katholischen 
Geistlichen einzuwirken sich bemüht hat, was zwar noch nicht ausführlich in 
dieser Kammer besprochen worden ist, aber namentlich in einer Reihe von 
Blättern, und dies Andere ist: man sagt fortwährend, wir seien genötbigt, 
die Verträge anzunehmen aus dem Grunde, weil dadurch die Stellung der 
katholischen Kirche in Deutschland eine bessere würde. Meine Herren! Dieser 
Punkt ist allerdings von Bedeutung. Aber wenn ein katholischer Abgeordneter 
gewissenhaft prüft, was bei den fraglichen Verträgen nach dem Rechtsgefühle 
annehmbar oder unannehmbar ist, dann kann dieser Nebengrund auf seine 
Abstimmung auch nicht einwirken; denn wenn auch der vermeintliche Zweck 
ein guter wäre, kein Katholik kann sich zu jenem Grundsatze bekennen, den 
man fälschlich den Jefniten in die Schuhe schiebt, zu dem Grundsatze: „Der 
Zweck heiligt die Mittel.“ Aber es ist auch nicht also, es ist nicht richtig, 
daß die Stellung der katholischen Kirche irgend welche Vortheile gewänne 
durch die Annahme der Verträgo von unserer Seite. Diese Verträge haben 
mit der katholischen Kirche Deutschlands lediglich Nichts zu thun, und des-
	        
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