Greil. 671
wegen haben wir uns auch mit dieser Frage nicht weiter zu beschäftigen.
Uns beschäftigt die politische Gestaltung Baierns für die Zukunft, uns be—
schäftigt und muß beschäftigen ein Blick auf die Gestaltung, welche der baie-
rische Staat im Vergleich mit jetzt und im Vergleich mit früher einzunehmen
hat, je nachdem die Verträge von Versailles angenommen oder verworfen
werden. Aber da stoße ich auf eine ganz seltsame Erscheinung, ich stoße auf
eine Erscheinung, welche ich in einer baierischen Kammer nie und nimmer
wabrnehmen zu müssen geglaubt hätte. Fast sämmtliche Redner, welche jen-
seits aufgetreten sind, und diesen Gegenstand überhaupt berührt haben, haben
in auffallender Weise geringschätzig von Baierns Bedeutung und dazu theil-
weise auch noch geringschätzig von Baierns Verfassung gesprochen. Damit
Sie nicht glauben, ich phantafire etwa, will ich Ihnen einige Ausdrücke der
Herren reproduciren. Herr Louis hat sich im Ansschusse ausgesprochen: die
Selbständigkeit Baierns sei eine eingebildete und Baiern habe überhaupt
nichts geleistet; Herr Dr. Völk hat schon früher über die Selbständigkeit
Baierns in einer Weise gesprochen, daß man ganz deutlich daraus abnehmen
konnte, er habe einen äußerst geringen Begriff von der früheren Selbständig-
keit Baierns gehabt, und er hat in seiner jüngsten Rede gesagt: Die Sou-
veränität wie jetzt hat Baiern im Reiche nie gehabt; Herr v. Hörmann
hat gestern gesagt: Eingekeilt zwischen zwei Großstaaten ist Baiern unhalt-
bar; Herr Stenglein hat gesagt: Die Souveränität Baierns ist beschränkt
durch die bestehenden Partikularrechte. Dazu kommt noch eine Aeußerung
des Herrn Staatsministers v. Lutz. Sie finden dieselbe in der ersten Rede,
welche seine Exrellenz bei der Vorlage der Verträge gehalten hat: „Viele
Jahrhunderte hindurch hatte Baiern — von der Zeit an, da man seinen
Namen zum Erstenmale genannt hat — einen Theil des Deutschen Reiches
gebildet; von je hat es Freud und Leid mit Deutschland getheilt; seine
Geschichte war so eng als die irgend eines anderen deutschen Gebietes mit
der des deutschen Volkes verbunden, und als das Deutsche Reich zerfallen,
As die Zeit des ersten Napoleon vorüber war, in welcher Baiern zum König-
wiche erhoben worden ist, — jene Zeit, die gleichwohl Niemand eine Zeit der
freien Selbstbestimmung für Baiern nennen wird, wenn es auch nicht mehr
dem Kaiser untergeben und nicht mehr Einem Reiche eingefügt gewesen ist,
— als jene Zeit vorüber war, und man an die Neugestaltung Deutschlands
eing, da dachte Niemand daran, aus Baiern einen international ganz unab-
bängigen Staat zu machen, Niemand dachte daran, bei der Gestaltung des
projectirten Deutschen Bundes einfach von Baiern abzusehen. Auch nach
dieser Zeit war Baiern trotz unbezweifelter Souveränität den Dispositionen
untergeben, welche nach der damals bestehenden Verfassung die Gemeinsam-
leit über Deutschland zu treffen berufen gewesen ist.“ Dazu kommt noch,
meine Herren, daß der Herr Minister in der ersten Kammer einen Ans-
fFnch gethan hat, der mir sehr aufgefallen ift. Er hat gesagt: „Was heißt
es denn, meine Herren, Consuln zu ernennen? Ist es denn damit gethan,