Greil. 685
an Material ausredet, das, meine Herren, ist meines Wissens nie vorgekom-
men in der Weltgeschichte! Und nun, meine Herren, wenn die Sache so ist,
daun muß man doch neuerdings fragen: Sind denn die Punkte, um die es
sich hier handelt, die rereinbart und nicht vereinbart worden sind, wirklich
von so geringer Bedeutung, daß man mit Rücksicht darauf etwa ein Auge
zudrücken und die Sache hinnehmen könnte? Meine Herren, mir scheint,
es ist ein Ausspruch gethan worden, welcher das Gegentheil von dem sagt,
was hier angenommen werden müßte, um diese Eile zu rechtfertigen. Der
Ausspruch ist gethan worden von Sr. Ercellenz dem Herrn Staats-
minister von Lutz, er steht Seite 26 des stenographischen Berichts der
66. Sitzung und lautet: „Wo ist denn die Selbstständigkeit, die sich der
Minister des Aeußern gewahrt hat? Die Deutsche Politik wird auch
nach unserem Vertrag von Deutschland gemacht, und nur darauf haben wir
bestanden, worauf wir, wie ich glaube, das Recht haben zu bestehen, daß
man die Deutsche Politik nicht immer und ewig einfach und über den Kopf
hinweg macht. Wo ist denn die Selbstständigkeit des Herrn Kriegs-
ministers? Sein Budget wird ihm in der Hauptsache von der Reichs-
regierung zugesendet. Wenn er erfüllt gewesen wäre von dem Streben, selbst.-
ständig und möglichst wenig behelligt zu sein, dann — verzeihen Sie meine
Aufrichtigkeit — würde er auch die Detailberathungen nicht in dieses Haus,
sondern in den Reichstag verlegt haben. Denn daß es dort leichter geht,
als hier gewöhnlich, wissen Sie Alle recht gut. Endlich, wo ist denn meine
Selbstständigkeit, die Selbstständigkeit des Justizministers? Ich habe nicht
einen Federstrich vor den Justizministern des übrigen Deutschen Reiches mir vor-
behalten."“ Sie sehen, meine Herren, es handelt sich hier um Rechte, die für ein
Land in erster Linie stehen. Der Herr Justizminister Excellenz hat zwar in
der Sitzung des Ausschusses die Sache dahin abgeschwächt, daß er sagt, es
seien nicht eigentliche Thronrechte, es sei blos die bureaukratische Selbststän-
digkeit hingeopfert worden. Nun, meine Herren, prüfen wir die Sache,
fassen wir sie einfach und vorurtheilslos in's Auge. Ich komme zum Schlusse,
daß nicht Se. Errcellenz, sondern der Herr Lasker in Berlin recht gesprochen
hat, wenn er hier etwas Anderes sieht als die Hinepferung der bureaukra-
tischen Selbstständigkeit. Denn, meine Herren, wenn dem Staatsminister
des Aeußern seinc Politik von voruherein gemacht wird, wenn sie ihm
diktirt wird, ist denn da die bureaukratische Selbstständigkeit verloren?
Die bleibt; der Staatsminister hat sein Bureau zu regieren, so wie so;
aber das Thronrecht, meine Herren, ist preisgegeben. Oder wenn der
Kriegsminister sein Budget und die Vorschriften über die Formation
seines Heeres von Berlin zugesendet bekommt, ist dann die bureaukratische
Selbstständigkeit geopfen? Nein, die bleibt. Er organisirt sein Bureau
so wie so, aber das höhere Recht ist geopfert, die Selbstständigkeit der Be-
stimmung der Krone über das Heer. Und wenn der Justizminister,
meine Herren, die Gesetze in Berlin sich machen lassen muß, wenn ihm dort