Friedenthal. 1061
nicht erörtern, weil sie mir zweifellos entschieden ist, so zweifellos ent-
schieden, daß ich es in der That für eine Infragestellung der Grundlagen
unfres ganzen verfassungsmäßigen und aktuellen Zustandes halte, wenn diese
Frage überhaupt erörtert wird (Sehr richtig); es würde mir gewissermaßen
revolutionär erscheinen (Sehr gut! sehr richtig), diese Frage hier zu erörtern,
und deshalb thue ich es nicht. Der Herr Vorredner hat demnächst gesagt,
daß er von dem Standpunkte des Preußischen Partikularismus aus es für
wünschenswerth halte, sich nicht durch eine ins Unbegrenzte gehende Erwei-
terung der Kompetenz des Bundes diejenigen Errungenschaften des Preußi-
schen Staats zerschlagen zu lassen, die das Wesen des Preußischen Staats
begründen. Ich glaube kaum, daß Einer unter Ihnen ist, der in dieser Vor-
aussetzung so vollkommen mit dem Herrn Vorredner übereinstimmt wie ich;
ich kann wohl von mir sagen, daß ich ein großes Theil Preußischen Parti-
kularismus in mir habe, und daß vielleicht Gelegenheiten kommen werden,
wo ich abweichend von Ihnen mit dem Herrn Vorredner in diesem Punkte
sehr stramm zusammengehe. Hier aber, meine Herren, handelt es sich um
einen Punkt — materiell — ich gehe jetzt von der Kompetenzfrage ab —
wo ich in der That nicht wünsche die Preußischen Errungenschaften zu er-
halten, wo ich nicht wünsche die Anschauungen, die man in der Gesetzgebung,
in der Wissenschaft und in der Praxis über privatrechtliche Dinge ge-
wonnen hat, beizubehalten. Ich frage den Herrn Vorredner, ob diejenige
Art und Weise Rechtsverhältnisse aufzufassen, privatrechtliche Dinge und
Dinge des öffentlichen Rechts mit einander zu vermischen, die in der Preußi-
schen Jurisprudenz durch die Isolirung von der Deutschen Rechtswissenschaft
üblich geworden ist und die, wie ich glaube, mit Recht von dieser Seite
des Hauses (rechts) oft sehr lebhaft bekämpft ist, ob gerade diese Errungen-
schaft beizubehalten ein sonderlicher Gewinn für den Preußischen Staat wäre.
Nein, meine Herren, das Wiedereintreten des Preußischen Juristenstandes auf
den Boden der Deutschen Rechtswissenschaft, das wird der Weg sein, auf
dem es möglich ist, den Preußischen Juristenstand von gewissen Einseitig-
keiten, die in politischen Dingen unendlich viel Nachtheil gestiftet haben,
zurückzuführen, und deshalb, weil ich in vielen Dingen mit der Partei des
Herru Vorredners übereinstimme, möchte ich die bezeichnete üble Errungen-
schaft des Preußischen Partikularismus so rasch wie möglich los werden.
Was einen ferneren Gegengrund betrifft, den der Herr Vorredner angeführt
hat, daß die ganze Sache eigentlich nur die Bedeutung habe, hier präjudiziell
festzustellen, daß man eben Verfassungsänderungen vornehmen könne, so kann
ich ja natürlich nicht in die Herzen der anderen Herren sehen, das aber kann
ich Ihnen versichern, daß meine politischen Freunde und ich, welche in diesem
Punkte vollkommen einverstanden sind und ganz auf dem nänlichen
Boden stehen, diesem Antrage aus voller Seele zustimmen, daß meine
Freunde und ich auch nicht im Allerentferntesten daran gedacht haben, bei
dieser Gelegenheit ein Präfudiz festzustellen, sondern daß wir lediglich aus
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