Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Schloͤr. 693 
also zum Voraus um Verzeihung, wenn ich im Verlaufe der Entgegnung 
auf die Vorrede, auf manche Dinge zurückgreifen muß, die schon besprochen 
worden sind. Ich hoffe, Sie werden mich von einem Vorwurfe der Wieder- 
holung deshalb freisprechen. Meine Herren! Im Verlaufe von kaum sechs 
Monaten wird zum zweiten Male in diesem Hause über eine Frage discutirt, 
deren Tragweite weit über dessen Räume, weit über die Grenzen unseres 
engeren Vaterlandes hinausreicht. Als durch den Beschluß dieses Hauses vor 
sechs Monaten festgestellt war, daß Baiern in den Krieg gegen den Erbfeind 
eintritt, damals, meine Herren, erscholl ein Jubel durch ganz Deutschland, 
und die Stimmung wurde gehoben im Palaste wie in der niedrigsten Hütte. 
Man hat damals gerathen, daß wir eine bewaffnete Neutralität beobachten 
sollten. Meine Herren! Ich werde trachten in meinen Aeußcrungen nie per- 
sönlich zu werden. Ich achte gerade so, wie Herr Dr. Ruland, jede Ueberzeugung 
und ich achte auf die Ueberzeugung Derjenigen, die damals glaubten, durch eine be- 
waffnete Neutralität werde die Stellung Baierns für die Zukunft gesichert. Meine 
Herren! Warun hat sich denn eine gehobene Stimmung kund gegeben nach jenem 
Beschlusse? Weil es einerseits ganz unmöglich gewesen wäre, den Krieg gegen 
Frankreich zu führen mit der Beachtung der bewaffneten Neutralität Baierns, 
und weil auf der andern Seite in dem Auseinanderfallen der deutschen 
Stämme bei Vertheidigung ihrer Grenzen ganz gewiß die Feinde in diesem 
Zwiespalte eine Ermuthigung gefunden haben würden. Ich sage, es war un- 
möglich, daß Baiern eine bewaffnete Neutralität hätte aufrecht erhalten kön- 
nen. Denn, meine Herren, wenn Sie — und ich crlaube mir einen Aus- 
druck zu gebrauchen, der ja so oft gegen mich angewendet wurde — wenn Sie 
einen Blick auf die Karte werfen, so werden Sie finden, daß Preußen nur 
eine sehr eng bemessene Grenze gegen Frankreich hat. Sie werden begreifen, 
daß es ganz unmöglich gewesen wäre, die deutsche Armee, ganz abgesehen 
von den baierischen Truppen, Frankreich gegenüber aufzustellen, unmöglich ge- 
wesen wäre ohne die Mithilfe Baierns, ohne die Dispositionsstellung derjenigen 
Verkehrswege, welche der Norddeutschen Armee cs möglich gemacht haben, 
im Verlaufe von kaum 14 Tagen nach der Kriegserklärung dem Feinde 
gegenüber gerüstet an der Grenze zu stehen. Und, meine Herren, als nach 
wenigen Tagen die Schlachten bei Weißenburg und Wörth geschlagen waren, 
da erhob sich eine Stimme des Lobes und der Anerkennung der baierischen 
Vertragstreue vom Süden bis zum Norden. Erinnern Sie sich nicht näher 
der Aeußerungen, die darauf hinwiesen, daß vor Allem es Pflicht Deutsch- 
lands wäre, die Träue Baierns zu belohnen? Nun, meine Herren, ich glaube, 
damals hat es sich um die politische Stellung Baierns für die Zukunft ge- 
handelt gerade so, wie heute. Der Herr Abgeordnete Greil hat getadelt, 
daß fast alle Redner von dieser Seite des Hauses, einschließlich einer Stimme 
vom Ministertische, sich geringschätzig über die Verfassung Baierus, über die 
politische Stellung Baierns geäußert haben. Ich habe eine geringschätzige 
Aeußerung gehört, aber nicht in diesem Hause, sondern im Ausschusse. Sie
	        
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