Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Schloͤr. 699 
einem Wiederaufbau solcher Zollschranken, von der Trennung zusammengewor- 
fener wirthschaftlicher Kapitale mehrerer Staaten und Völker habe ich nie 
gehört, wohl aber von der Vereinigung. Meine Herren! Ee ist schon neulich 
davon die Rede gewesen, und es ist heute mit verstärktem Nachdrucke darauf 
hingewiesen worden, daß diese Verträge die Selbständigkeit Baierns vernichten, 
daß sie Baiern mediatisiren. Es hat mich gewundert, daß der erste Redner 
in dieser Debatte, der mit so großer Gewissenbaftigkeit sonst seine Worte ab- 
wägt, gerade weniger sorgsam war bei der Wahl seines Ausdruckes, als er 
das Verhältniß Baierns bezeichnet, wie es sich nach den Verträgen gestalten 
wird. Was heißt denn Mediatisirung? Man darf doch nicht jedes beliebige 
Wort auf ein Verhältniß anwenden, auf das es gar nicht paßt. „Mediati- 
siren“ heißt die Unterordnung eines Reichsunmittelbaren unter die Landeshoheit. 
Nun, meine Herren, Baiern wird doch wahrhaftig nicht einer neuen Landcs- 
hoheit untergeordnet, und aus diesem einfachen Grunde muß ich das Wort 
„Mediatisiren“ für das Verhältniß, in welches Baiern durch die Verträge 
tritt, absolut und schlechthin desavouiren, es hat keinen Sinn und keine Be- 
deutung. Was ist denn in Wirklichkeit das Verhältniß, in welches Baiern 
tritt? Baiern überträgt einen Theil der Befugnisse, die es bisher für sich 
ausgeübt hat, an eine für ganz Deutschland constituirte Gewalt. Es ist nicht 
eine Entäußerung dieser Rechte, nicht ein Verzicht auf diese Rechte, sondern 
nur eine Modalität der Ausübung dieser Rechte. Darin liegt auch der Unter- 
schied zwischen dem neuen Deutschen Reiche und dem alten. Es wird keine 
Oberhoheit geschaffen über die einzelnen Staaten, sondern die Oberho- 
heit bilden die einzelnen Staaten selber, die einen Theil ihrer Macht- 
befugnisse vereinigen zu dem Zwecke, um sie gemeinsam besser auszuüben, 
besser zur Geltung zu bringen, als sie sie allein zur Geltung zu bringen im 
Stande waren. Und nun sagt man: was hat denn die baierische Regierung 
dazu bewogen, die Initiative in dieser Frage zu ergreifen, wo ist denn die 
Zwangslage, in welcher sich die baierische Regierung befunden hat? Meine 
Herren, mir scheint, daß über diese Dinge noch sehr viel Unklarheit herrscht. 
Nicht in der Agitation, die man im Sinne hat, — ich kann Sie rersichern, 
diese Agitation hat nicht dazu beigetragen, unsere Stellung zu verstärken, und 
ich wenigstens muß es offen bekennen, daß ich keinen Grund habe, dieser 
Agitation dankbar zu sein — aber worin lag denn der Grund Meine 
Herren! Ein doppelter Gesichtspunkt muß hier festgehalten werden. Nach- 
dem nur ein paarmal 24 Stunden die französischen Truppen auf deutschem 
Gebiete waren, hat sich eine Empfindung geltend gemacht, nicht in einer 
einzelnen Parteirichtung, nicht in diesem Hause, sondern in dem ganzen 
großen Volke, eine Empfindung, entsprungen aus den Erwägungen, was wohl 
aus Deutschland geworden wäre, wenn die Franzosen den Krieg nach Deutsch- 
land hätten tragen können? Und welche Gewalt hat diese Empfindung ge- 
wonnen, als ein Theil jener wilden Horden, die man in den Wüsten Afrika's 
zusammengetrieben und gegen Deutschland gehetzt hat, gefesselt in unser Land 
eingeführt wurde? Meine Herren, glauben Sie denn, daß dieses Gefühl
	        
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