Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

700 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
keine Beachtung verdiente? Dieses Gefühl hat die Ueberzeugung begründet, 
nicht in einer Partei, sondern im deutschen Volke, daß unsere Sicherheit 
nur im einmüthigen Zusammenstehen gegenüber dem Feinde zu 
suchen sei! (Bravo.) Und, meine Herren, als die Schlachten bei Sedan 
geschlagen waren, welche Empfindung hat sich damals der deutschen Nation 
bemächtigt? Die Empfindung des Stolzes, die Empfindung des Selbstbe- 
wußtseins, was die deutsche Nation zu leisten vermag, wenn sie einig ist, und 
die Furcht, daß jemals der Zeitpunkt wieder kommen könnte, in dem die 
deutsche Nation durch ihre Zwietracht eine Beute der Feinde werden könnte. 
Diese Furcht, meine Herren, hat nicht eine Partei, sie hat die ganze Nation 
dahin getrieben, zu empfinden und es zum Ausdruck zu bringen: wir wollen 
die Einheit! (Braro.) Das war die Zwangslage, das war die Agitation; 
die Abwehr des Feindes vom raterländischen Boden und die Niederwerfung 
eines Gegners, der in der Mitte von Eurcpa einen Nichterstuhl aufgebaut 
hatte, um über die Geschicke der europäischen Nationen zu entscheiden, einen 
Thron, der seine Einflüsse in allen Lebensbeziehungen, in allen europäischen 
Verhältnissen geltend gemacht hat, der sich stützte auf em Stimmenverhält- 
niß, wie es die Welt nie sah, und der sich stützte auf eine Armee, die man 
bis dahin für unüberwindlich gehalten hat. Die deutsche Nation hat es zu- 
wege gebracht, daß diese Macht im Verlaufe weniger Wochen in den Staub 
hinab gesunken ist, zertrümmert vor die Füße der deutschen Sieger fiel. Und 
nun, meine Herren, Sie verlangen, daß die baierische Regierung allein für 
diese Dinge keine Empfindung habe, daß sie diese Dinge spurlos an sich vor- 
über gehen lassen sollte, ohne auch nur den geringsten Gedanken in ihr an- 
zuregen, wie denn dieser Drang nach Einheit zu befriedigen, wie denn diese 
Sicherheit für die Zukumst der großen deutschen Nation zu erlangen wäre' 
Ich weiß, meine Herren, und man hat es uns oft genng gesagt, daß man 
keine sehr großen Erwartungen von den einen oder anderen derjenigen Män- 
ner hegt, die in der baierischen Regierung zur Zeit einen Platz einnehmen. 
Aber, meine Herren, dafür dürfen Sie doch diese Männer nicht ansehen, daß 
sie solche weltgeschichtliche Ereignisse, wie sie noch gar nie dagewesen sind, 
spurlos an sich vorüber geben lassen, daß sie so pflichtvergessen sind, mit ver- 
bundenen Angen die Weltgeschichte sich abwickeln zu lassen, ohne auch nur 
die Hand zu rühren! Wir haben die Initiative ergriffen, und wenn ich 
auf irgend Etwas in meinem Leben stolz bin, so ist es das, daß ich die 
Initiative mitergriffen habe. Wir haben es gethan im vollen Bewußtsein, 
daß wir schließlich nicht die Maßgebenden sein werden. Eine Grenze war 
es, meine Herren, die wir uns gezogen haben, und diese Grenze ist gewesen 
die Bewahrung der Selbständigkeit Baierns, die Bewahrung der Bestimmung 
unserer eigenen Geschicke, auch trotz des Eintritts in den Deutschen Bund. 
Und ich glaube, es ist das gescheben, soweit es nach den Verhältnissen mög- 
lich war. Ich will nicht sagen, daß alles Wünschenswerthe erreicht worden; 
im Gegentheile, ich sage es offen, es ist nicht Alles erreicht worden, was wir
	        
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