714 Balern. Kammer der Abgeordneten.
Finanzminister angenehm — ich weiß nicht, ob es der Fall ist — wenn
er es verlängern könnte, aber er kann es unzweifelhaft nicht; er kann alle
Veto's von der Welt einlegen, aber er ist nicht im Stande, dieses Gesetz zu
verlängern, ohne daß Sie Ihre Zustimmung geben. Und ganz genau das-
selbe Rechteverhältniß wollte man in der Norddeutschen Bundesverfassung
feststellen und hat es auch unzweifelhaft festgestellt. Es ist, meine Herren,
noch ein Beispiel zu gebrauchen, welches uns hier sehr nahe liegt. Dieses
Recht Preußens, ein Gesetz zunächst nicht zu Stande kommen zu lassen durch
Einlegung seiner 17 Stimmen, ist vollständig analog demjenigen Rechte,
welches heute 51 oder 52 Mitglieder dieses Hauses haben, die Verträge nicht
zu Stande kommen zu lassen. Sie können auch, meine Herren, etwas Po-
sitives nicht erwirken, sondern nur einfach das, was vorgelegt wird, ab-
lchnen; Sie können rerhindem, daß die Verträge zu Stande kommen, es
ist das auch ein Vete, welches Sie gegen diesen Gesetzesvorschlag ausüben
können, und gerade dieses Recht und kein anderes liegt im Begriff gines
Veto. Ich habe rorhin von einer Bestimmung gesprochen, welche in der
Norddeutschen Bundesverfassung für den Fall getroffen ist, daß ein Gesetz
über die Friedenspräsenzstärke nicht zu Stande kommt. Es heißt da näm-
lich in Art. 62: „Nach dem 31. Dezember 1871 müssen diese Beträge von
den einzelnen Staaten fortgezahlt werden. Zur Berechnung derselben wird
die in Art. 60 interimistisch festgestellte Friedenspräsenzstärke so lange fest-
gebalten, bis sie durch ein Bundesgesetz abgeändert ist. Die Verausgabung
dieser Summe für das gesammte Bundesheer und dessen Einrichtungen wird
durch das Etatsgesetz festgestellt." Nun bezüglich dieses Artikels habe ich vor
Allem einen Unterschied zu machen zwischen allen übrigen Staaten, die zum
Deutschen Reiche gehören, und zwischen Baiern. Nach Ziff. III. § 5 Nr. II.
des baierischen Vertrages findet dieser Artikel auf Baiern keine
Anwendung. Herr Professor Greil hat sich vorgestern, glaube ich, eines
lleinen faktischen Irrthums schuldig gemacht. Er hat uns die Bestimmungen
des baicrischen Vertrags fvorgelesen und hinzugefügt: Hiezu kommt noch:
„Nach dem 31. Dezember müssen diese Beträge fortbezahlt werden c.“" Das
kommt aber eben nicht hinzu, sondern gerade diese Bestimmung findet für
Baiern keine Anwendung. Ich will nun diese Bestimmung jetzt noch des
Nähemn erläutern. Ich halte sie nicht für eine gute, sondern, ich will es
gleich hinzusetzen, für eine schlechte Bestimmung; ich glaube, daß mit dieser
Bestimmung die Saat zu künftigen Conflicten gelegt ist. Aber das geht
uns Baiern aus dem einfachen Grunde wenig an, weil eben der ganze Ar-
tikel für uns keine Anwendung findet. Wenn also das Gesetz über die Frie-
denspräsenzstärke nicht zu Stande kommt, haben die sämmtlichen übrigen
Staaten des Deutschen Reiches ihre 225 Thaler für ein Prozent der Bevöl-=
kerung fortzubezahlen (Baiern hat aber eine derartige Fortzahlung nicht zu
leisten; für Baiern gilt diese Ausnahmsbestimmung nach den ganz ausdrück-
lichen Worten des Vertrags eben nicht). Diese Bestimmung der Norddeut-