726 Baiern. Kammer der Abgcordneten.
wird es in Sachsen auf das Schwerste empfinden, wenn Baiemn nicht in den
Bund eintritt, wenn Baiern seine gewichtige Stimme nicht zu den Stimmen,
welche diese Staaten schon im Bunde haben, hinzuwirft, und das freundliche
Verhältniß der baierischen Regierung und des baierischen Volkes zu diesen
Staaten, auf deren natürliche Bundesgenossenschaft wir von jeher und wir
auch künftig angewiesen sein werden, — dieses freundliche Verhältniß wird da-
durch in keinem Falle verbessert werden, es wird immer mehr gelockert wer-
den, und Sie werden sehen — ich fürchte nicht in dieser Richtung ein
falscher Prophet zu sein — daß wenn Baiern draußen bleibt und man
künftig sei es mit dem Zollvereine oder etwas Anderem Baiern Daumen-
schrauben anlegen wird, es nicht zunächst die preußische Regierung sondern
gerade jene Staaten thun werden, welche wir jetzt mit dem Eintritte in den
Bund allein lassen. Meine Herren! Ich kenne die Verhältnisse in einem
Theile dieser Staaten ziemlich genau, ich habe mit Politikern dieser Staaten,
die nicht unserer oder vielmehr meiner Richtung angehören, gesprochen und
weiß ziemlich genau, was man in diesem Punkte denkt. Man hat, meine
Herren, die Finan zfrage auch zu einer jener Fragen gemacht, welche einen
wesentlichen Grund geben, jetzt nicht in den Bund einzutreten; allein mit
dieser Finanzfrage ist es eine ganz eigenthümliche Sache. Fast jeder der
Redner, der gesprochen hat, sagt: „Ich stehe auf der Höhe des idealen Stand-
punktes, die Finanzfrage kommt für mich erst in zweiter Richtung, auf die
Finanzfrage reflectire ich nicht so sehr, wenn nicht die andern Umstände
wären, wenn nicht die Selbständigkeit weggelöscht würde, wenn nicht die
Freiheit dahin wäre, — die Finanzfrage würde mich nicht beirren.“ Bei diesem
hohen, idealen Standpunkte ist es doch sonderbar, daß fast allgemein bei
allen Mitgliedern dieses Hauses die Ueberzeugung verbreitet ist, daß gerade
die Finanzfrage es ist, welche im tiefsten Herzenskämmerlein Jeder, der zu
dem Vertrage Nein sagt, als Ausschlag gebend ansieht. Ich habe allen
Respekt, meine Herren, vor Ihrer Freiheitssehnsucht, ich habe allen Respekt
vor Ihrem Enthusiasmus für die baierische Selbständigkeit, allein ich habe
sehr große Zweifel, ob dieser Enthusiasmus so außerordentlich groß wäre,
wenn nicht auf der andern Seite der Wage diese hundert oder so viele Pro-
zent Steuererhöhung — 200# oder 2503, es sind ja mehrere Zahlen da —
wenn diese nicht auf der andern Seite in der Wagschale wäre. Die Aus-
einandersetzungen des Herrn Kolb beruhen auf einem Boden, den ich als
vollständig richtig nicht anerkennen kann. Es ist allerdings möglich, meine
Herren, daß jene Grundlagen, welche Herr Kolb angenommen hat, dem
künftigen Militärbudget zu Grunde gelegt werden, — es kann in dieser Be-
ziehung kein Mensch eine Garantie übernehmen. Allein mir scheint ein
Irrthum darin zu liegen, daß er sie als unabänderlich feststehende angenom-
men hat, daß er argumentirt hat, die Sache ist so und muß so kommen.
Es ist, meine Herren, ein großer Unterschied darin: Es kann so kommen
und es soll und muß so kommen! Es muß nicht so kommen, meine