732 Balern. Kammer der Abgeordneten.
das ist nicht gauz richtig. Haben Sie einmal die Güte und vergleichen Sie
die Zollvcreinsverfassung mit der Verfassung des Deutschen Reiches, die nun
Ibrer Beschlußfassung unterbreitet ist. Sie werden schon bei eincr oberfläch-
lichen Vergleichung sehen können, daß diese beiden Verfassungen, so wie sie
liegen, nebeneinander gar nicht mehr bestehen können. Früher war es der
Norddeutsche Bund, der Baiern, Würtemberg, Baden und dem sidlichen
Hessen entgegengetreten ist, nuun ist von der einen Gruppe Würtemberg,
Baden, das südliche Hessen weg, und Baiern ist allein geblieben. Der Nord-
deutsche Bund, der früher diesen Staaten entgegengetreten ist und seine Ver-
tretung im Bundesrathe und der Bundesversammlung gehabt hat, eristirt
nicht mehr, und an dessen Stelle ist ein Deutsches Reich getreten. Dieses
Deutsche Reich ist nun, täuschen w#ir uns darüber nicht, perfekt, ob wir heute, mor-
gen oder übermorgen Ja oder Nein sagen. Daran kann kein Meusch etwas
ändern; wir sehen das schon aus den Zusammenstellungen, die uns gemacht
worden sind: wir haben einen Vertrag Baierno mit dem Deutschen Reiche.
Das Deutsche Reich als solches wird proklamirt werden, es wird mit oder
ohne uns in's Leben treten. Nun, meine Herren, wird es absolut notlwen-
dig sein, einen neuen Zollrereinsvertrag abzuschließen. Es ist gar nicht
anders möglich, denn mit dem bisherigen Zollvereinsrertrage kaun man schon
staatsrechtlich gar nicht mehr forthausen, das Zollparlament eristirt einfach
nicht mehr, — das ist meine Meinung; dem Zollvereine mangelt ein sehr
wesentliches Glied seiner Organisation, und wenn Sie die Verträge nicht
annehmen, so kann ich mir im gegenwärtigen Momente schon sehr schwer
denken, wie die Geschichte überhaupt auch nur bis zum Jahre 1877 sich ge-
stalten soll. Es ist höchst wahrscheinlich, daß, da Niemand daran denken
kam, das nicht mehr rechtlich bestehende Jollparlament einzuberufen, daß
dieser ganze Faktor hinansfallen wird, und daß die ganze Legislation eben
weil der vorausgesetzte Faktor weggefallen ist, vollständig stille steht. Das
würde im Allgemeinen ein so enormes Unglück allerdings nicht sein, allein
es beweist, daß die Kündigung der Verträge schon aus dem Grunde folgen
muß, weil ein neuer Vertrag abgeschlossen werden muß, da man mit dem
alten nicht mehr forthausen kann. Nun bin ich allerdings der Meinung des
Herm v. Schlör, daß es gar nicht möglich sein wird, den Zollrerein zu
sprengen. s wird nicht möglich sein, jene Bande — denn es sind nicht
blos #naterielle, sondern auch geistige Bande, welche Baiern mit dem übrigen
Deutschland verbunden haben und zur Zeit noch verbinden — zu zerreißen
und zu zerschneiden. Aber, meine Herren, Sie können aus dieser Unmöglich-
leit, wie mir wenigstens scheint, gewiß keinen Schluß in Ihrem Sinne ziehen;
denn diese Unmöglichkeit inrolvirt eben das, was ich beweisen will, daß nem-
lich Sie dann jene Bedingungen annehmen müssen, welche man Ihnen stellt,
wenn die ganze Zollvereinsfrage in's Gleiten kömmt, und — noch einmal be-
tont — nicht die preußische Regierung, sondern der Deutsche Reichs-
tag ist es, mit dem dann die Bedingungen verhandelt werden und Sie kön-