Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

734 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
temberg draußen ist, ist es für Baiern vollständig unmöglich, sich en den Gren- 
zen des Zollvereins als besonderes Zollgebiet zu konstituiren. Das brauche 
ich nicht weiter auseinander zu setzen. Es wäre blos Etwas möglich: daß 
wir uns, wie die Schweiz im Großen und Ganzen jetzt thut, als ein beson- 
deres Freihandelsgebiet zwischen zwei große Länder setzen. Das würde 
für unsere Industrie im gegenwärtigen Augenblicke allerdings die entsetzlichsten 
Folgen haben. Unsere Baumwollindustrie in Augsburg und Schwaben würde 
von der würtembergischen Industrie — denken Sie, nur wie nahe die Zoll- 
grenze ist — im Verlaufe vielleicht weniger Jahre vollständig überflügelt 
und niedergeworfen — ein für die Aktionäre vielleicht viel weniger schäd- 
liches Ereigniß, als für die Arbeiter; denn die Aktionäre haben so ziemlich, 
was zu gewinnen ist, wenigstens zum großen Theil, im Trocknen. Welchen 
Einfluß das auf die Landwirthschaft haben wird, das brauche ich Ihnen nicht 
weiter auseinander zu setzen, es kann sich Jeder dies sehr einfach an den 
Fingern abrechnen. Aber ich gebe zu, es kann dieser schlechte Zustand ein 
vorübergehender sein; in 20 oder vielleicht 25 Jahren, ich weiß das nicht, 
kann es vielleicht besser werden. Aber das weiß ich sicher, daß wir auf 
unsere Staatseinnahmen in dem Betrage, wie wir sie bis jetzt vom Zollver- 
eine bezogen, verzichten würden; und wenn man rechnet, daß wenn wir in 
das Deutsche Reich eintreten, wir 146.# Prozent Steuererhöhung bekommen, 
so rechue ich JIhnen mit den 80 Prozent des Herrn Kolb, daß wir dann 
174 Prozent, ohne das uu# Prozent Steuererhöhung bekommen. Das ist auch 
eine Rechnung, die sehr einfach ist. Es wäre mir nicht eingefallen diese Be- 
rechnung aufzustellen, das sage ich aufrichtig, aber wenn auf der einen Seite 
solche hypothetische Berechnungen gemacht werden, so muß es auch auf der 
andern Seite gestattet sein zu zeigen was kommen kann. Es kommt dann 
noch etwas dazu, und das wiegt, ich gestehe es anfrichtig, viel schwerer, als 
die Auflösung des Zollrerein. In einem Punkte gebe ich dem Herm 
Referenten Recht; er sagte einmal, wenn es unsere politische Ehre erfor- 
dert, so kommen diese materiellen Rücksichten in zweiter Reihe. Ich setze auch 
den Zollverein daran, wenn unsere politische Ehre es erfordern würde, auch 
mir stehen diese materiellen Erwägungen in zweiter Reihe; aber ich mache 
Sie auf etwas aufmerksam, was auch theilweise und zwar sehr schwer, in 
das materielle Gebiet überschlägt. Ich bin der festen Meinung, daß 
die politische Unsicherheit in Eurepa nicht eher geändert wird, als bis 
in der Mitte dieses Welttheils jene gesicherte und starke Macht entsteht, welche 
das Deutsche Reich seiner Zeit bilden wird, und diese gesicherte und starke 
Macht wird nicht vollständig sein, wenn Baiern nicht derselben beigetreten 
ist. Die Erfahrung hat es uns, glaube ich, und zwar mit blutiger und 
feuriger Schrift gezeigt, daß das selbständige Bestehen dieser süddeutschen 
Staaten über kurz oder lang nothwendig zum Kriege treiben muß, und wenn 
das Deutsche Reich nicht entstanden ist, wenn Baiern daraus bleibt, wird 
diese unsichere Lage immer noch fortbestehen. Man hat, wie es inobesondere
	        
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