736 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
Referent hat in derselben Rede, in welcher er über die Annahme oder
die Nichtannahme der Zollvereinsverträge gesprochen hat, damals die Bemer-
kung gemacht: wenn der baierische Landtag, insbesondere dieses hohe Haus „Nein“
zu diesen Verträgen sagt, so wird das ein Schlag sein, der durch ganz Europa
nachzittert. Damals, meine Herren, war ich nicht ganz der Meinung des Herrn
Referenten, ich habe damals nicht die Ansicht gehabt, daß unserm Votum
jene anßerordentliche Bedeutung zuskommt, allein das, meine Herren, weiß ich
bestimmt und ich glaube, der Herr Referent wird mir das nicht wider-
sprechen, daß, wenn wir heute „Nein" sagen würden, dann das ein Schlag
sein würde, der durch ganz Europa nachzittert, am Allermeisten aber in
Frankreich. Das französische Volk hat allerdings nicht auf uns und unsere
Ermuthigung gewartet, als es sich erhob, aber es beginnt seit geraumer Zeit
müde zu werden, und die Machthaber, welche jetzt diktatorisch den Krieg
à outrance fortsetzen, suchen nach jedem Strohhaln', den sie dem Volke hin-
reichen, um dasselbe zur weiteren Fortsetzung des Krieges zu veranlassen. Es
ist jetzt nicht ganz leicht, mit einer großen Anzahl Beweisen zu kommen, die
Bewise liegen aber, glaube ich, in drn Thatsachen selbst umd in dem, was
wir täglich in allen Zeilmuigen lesen. Daß es so ist, daß man auf das, was
in Baiern geschieht, immer in Frankreich noch große Hoffnungen setzt, daß
man den Franzosen immer noch vorschwindelt: Mit Baiern ist es nicht voll-
ständig in Ordnung, die Baiern gehen nächstens zurück, — dafür habe ich
z. B. einen Beweis in der amtlichen Korrespondenz Havas, von der mir ein
Blatt vorliegt vom 18. Dezember 1870, das mit der Ballonpost aus Paris
gekemmen ist, und in dem auosdrücklich zur Ermuthigung der Franzosen ge-
sagt wird, daß die Baiern in ihre Heimath zurückkehren wollen. Es sind
mir über diesen Punkt eine ganze Reihe Briefe von Soldaten und Offizieren
zu Handen gekommen; ich habe sie theils anonym theils nicht anonym zu-
geschickt bekommen. Ich hätte auch in der Beziehung ein reichliches Material.
Ich habe da einen Brief von einem Landwehroffizier vor mir, in dem es
wörtlich heißt: „In Orleans haben wir ein französisches Journal erwischt,
in welchem die französische Nation zum Ausharren aufgefordert wird, indem
die baierische Kammer bereits die Zurückziehung der baierischen Truppen ver-
langt, und dadurch die Preußen sehr geschwächt würden." Das ist nun
allerdings nicht richtig, und ich führe das nur zum Beweise der Thatsache
auf, wie vorsichtig man in solchen Dingen sein muß. Einen weiteren Be-
weis habe ich erst gestern bekommen. Das Jomnal, welches gegenwärtig die
Beziehungen Frankreichs zum Ausland am meisten und intensivsten vermittelt,
ist unzweifelhaft die Independunce belge, ein in Brüssel erscheinendes
Jonrnal, welches aber vollständig im Sinne der französischen Repnblik ge-
schrieben ist. Die Nummer vom 13. Jannar 1871 bringt um über die
Verhandlungen unserer Kammer über unseren letzten Militärkredit nichts
Anderes, als die Rede des Herrn Kolb, und zwar so getren, daß sie nur
aus einem stenographischen Protokolle entnommen sein kann; sie bringt diese