738 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
Dentsche Ration will den Krieg nicht, und weim die gesammte Dentsche
Nation den Krieg nicht will, wird sie ihn auch nicht haben. Ich wüßte
nicht, in welcher Richtung dieser Krieg kommen sollte. Man hat Ihnen das
Schreckgespenst dieses Krieges mit Oesterreich vorgestellt. Nun, meine Herren,
ist diesem Schreckgespenst zu sehr ungelegener Zeit jener Depeschenwechsel
entgegengetreten, der in den letzten Tagen stattgefunden hat, und der, wie
ich aus einem flüchtigen Blicke in den heutigen Zeitungen vorbin gesehen
babe, auch heute in den letzten Tagen noch seine fremmdschaftliche Bestätigung
gefnunden bat. Nun sagt man: aus diesem Depeschenwechsel folgt nichts,
das ist blos leeres Papier. Ich wäre begierig, wie man argumentirt hätte,
weim dieser Depeschenwechsel nicht stattgefunden hätte. Man würde gesagt
haben, Preußen hat nicht einmal nothwendig gefunden, Oesterreich den
geringsten entgegenkommenden Schritt zu thun, Oesterreich mußte dadurch
verletzt werden und es müssen Zustände eintreten, die nothwendig zum Kriege
führen. Jetzt ist das Gegentheil geschehen, jetzt ist dieser entgegenkommende
Schritt gethan, es hat die österreichische Regierung, — nicht Herr v. Beust,
sondern der Kaiser hat diesen entgegenkommenden Schritt in eben so entgegen-
kommender Weise beantwortet, — und jetzt sagt man: „Die ganze Geschichte ist
blos leeres Papier, nur ein Austausch von Redensarten." Dieser Argumen=
tation kann ich nicht folgen, das ist eine Argumentation, welche mag kommen
was da will zuletzt à tont prik Recht behalten will. Die Deutsche Nation,
in ihrem Parlament geeinigt, wird und muß, wie sie es bis jetzt gethan hat,
ehe ihr dieser Krieg aufgenötbigt und aufgezwungen wurde, eine friedliche
Entwicklung anstreben. — Es war ein Mann, dessen national-ökonemische
Keuntnisse ich sehr hoch achte, Professor Schäffle, der vor nicht langer
Jeit den Deutschen Volksvertretern den Rath gegeben hat, sie möchten doch,
statt sich in abstrusen politischen Diskussion : zu bewegen, einmal mit den
materiellen Gesetzgebungen, die bei uns so furchtbar im Argen liegen, sich
beschäftigen. Diesen Nath, meine Herren, hat der Norddeutsche Reichstag
bis jetzt in hervorragendem Maße befolgt. Die größten Feinde der dort
bestehenden Zustände mössen sagen: Was die materielle Entwicklung der
Gesetzgebung betrifft, ist sie musterhaft, — und ich, meine Herren, fürchte nicht,
daß sie weniger musterhaft werden wird, wenn wir Baiem noch dazu
kommen. — Man fürchtet die Majorisirung im Norddeutschen Reichstag, als
ob dort die einzelnen Fragen nach Staaten und nach den Angehörigen in
den Staaten entschieden würden. Die Interessen, die Sie hier vertreten,
sind im Norddeutschen Reichstage ebenso vertreten, sa theilweise noch stärker.
Für jeden Industriellen, für jeden Jabrikherrn, den Sie hier in der Kammer
haben, sitzen dort 20, 30 und 40, für jeden Grundbesitzer, den Sie hier in
der Kammer haben, sitzt eine viel größere Anzahl dort. Wenn man der
Zusammensetzung des Norddentschen Rcichstages bis jetzt einen Vorwurf hat
machen können, so war es der, daß das grundbesitzende Interesse viel zu
sehr in demselben überwogen hat gegenüber den anderen Faktoren des Staates.