Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

740 Balern. Kammer der Abgeordneten. 
missen, die ich gegeben habe, die Jolgerung zieht, fortzugehen und das 
Mandat niederzulegen, allein nicht eine Legik, welche dazukommt, zu den 
Verträgen „Nein“ zu sagen. Meine Herren, was würde die Folge dieses 
„Nein" sein? Es ist Keiner in diesem Hause, der sagen könnte, auf meine 
Stimme allein kommt es nicht au. Es war z. B. in Würtemberg ganz an- 
ders. In Würtemberg konnte die Minorität, die „Nein“ gesagt hat, mit 
der beruhigenden Ueberzeugung „Nein“ sagen, daß es auf ihr „Nein“ gar 
nicht ankomme, sie hat sich in der außerordentlich bevorzugten Lage jeder 
Minorität gefunden, welche im Stande ist, ihre außerordeutliche Prinzipien= 
treue zu wahren mit dem Benußtsein, es schadet ja nicht. Allein bei uns 
ist die Sache ganz anders. Es ist kein Mitglied dieses hoben Hanses, das 
nicht sagen kann und sagen muß: Auf meine Stimme kommt es gerade aun, 
und wenn ich anders gestimmt hätte, wäre Alles vermieden worden, was 
hermach kam. Das ist das Emsthafte unserer Situation und desbalb sprechen 
wir so lange und eindringlich über diesen Gegenstand, — viel länger und ein- 
dringlicher, als man in Würtemberg gesprochen hat. Nun, meine Herren, 
sagt man: „Wir wolleu die Verträge nicht, und die nächste Wahl wird 
schon zeigen, daß das baierische Volk sie auch nicht will.“ Ich hoffe vor 
Allem, daß das baierische Volk, wenn es in die Lage kommt, dieses Votum 
abzugeben, ein gut unterrichtetes sein wird und nicht ein so unterrichtetes, 
wie wir vorhin aus dem Stadtamhofer Volkeblatt gesehen haben. Allein das 
Resultat einer Wahl läßt sich nicht mit absoluter Sicherheit voraussehen. 
Wir baben ein lebhaftes Beispiel davon in Würtemberg. Kein Land in 
Deutschland ist xpolitisch so von Parteien durchgearbeitet wie Würtemberg. 
In Würtemberg hat man, wenn man so sagen darf, einen Wahlkataster 
gehabt, hat man in jedem Bezirke auf 100 und eine halbe Stimme vor- 
auszusagen sich getraut: der Kandidat wird, so viel Stimmen haben und 
der so viel, und trotzdem ist die Geschichte vollständig anders gegangen, als 
man sich erwartet hat. Sie ist weit über Erwarten zu Gunsten der Ver- 
träge ausgefallen, weit über das Erwarten Derjenigev, welche für die Annahme 
der Verträge waren, und sie ist weit unter der Erwartung Derjenigen ge- 
blieben, welche die Ablehnung der Verträge angestrebt haben. Gerade so 
kaun es auch bei uns gehen. Niemand weiß mit Sicherheit zu sagen, wie 
die nächsten Wahlen ausfallen werden, aber Etwas weiß ich mit Sicherheit 
zu sagen: daß wir einen Wahlkampf haben werden, vor dem mir, ich sage es 
ganz offen, vor dem mir schandert. Wir lesen es bereits in einer Anzahl 
von Blättern angekündigt, der nächste Kampf werde ein Kampf aufs Mes- 
ser sein. Das ist blos eine bildliche Redensart, allein das Vild übersetzt 
sich manchmal im Drange des Angenblickes in der sckreckenerregendsten 
Weise in die Wirklichkeit. Ich will, meine Herren, — ich sage das ohne 
Rücksicht auf die Partei, der ich angehöre, und welche vielleicht, Niemand 
weiß das ganz gewiß, vielleicht durch die Neuwahl gewinnen kann, sogar 
nach Wahrscheinlichkeiteberechnung gewinnen wird, ich sage das ohne Rück-
	        
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