Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Stauffeuberg. 741 
sicht auf irgend eine Partei — ich will dem Volke den Wahlkampf 
ersparen. Man spricht davon, daß unsere Deutschen Krieger aus diesem 
Kriege verwildert herrorgehen würden. Ich weiß nicht, ob das der Fall sein 
wird, aber das weiß ich bestimmt, daß wenn das bairische Volk noch einen 
oder zwei solche Wahlkämpfe durchzumachen hat wie den letzten — und sie 
werden noch ärger — daß es dann aus diesen Wahlkämpfen verwildert und 
anders herrorgehen wird als in dieselben eingetreten ist, und das, meine 
Herren, wollen wir dem Volke ersparen. Wir reden hier in diesem Saale 
außerordentlich leicht über diesen Gegenstand; man sagt uns: „Ja Ihr seid 
die Herren, macht das anders, haltet die Agitation zurück“ Meine Herren, 
der Herr Referent und viele von Densenigen, die auf seinem Standpunkte 
stehen, wissen das so gut wie ich, daß in diesem Saale Wenige sind, viel- 
leicht Niemand, der dies in der Hand hat. Ich mache Niemanden in die- 
sem Saale für die Ausschreitung der Presse der Parteien verantwortllich. 
Ich weiß, es liegt nicht in unserer Macht, die Dinge anders zu machen, — es 
liegt nicht in der Macht irgend Eines und liegt auch ganz gewiß nicht, trotz 
allen Scharfsinnes, den er bei Beurtheilung dieser Dinge angewendet hat, 
in der Macht des Herrn Referenten. Ich erinnere mich noch sehr wohl, 
daß die Zeiten noch nicht lange vorbei sind, daß die Orgaue seiner eigenen 
Partei, dieselben Organe die ihm sonst „Hosianna“ zuriefen, das „Kreuzige 
ihn“ über ihn gesprochen haben. Halten Sie aber, meine Herren, für möglich, 
durch eine Neuwahl und die jetzige Ablehnung der Verträge die ganze Si- 
tuation zurückzuschrauben und die Annahme unmöglich zu machen? Denken 
Sie daran, wie sich die Sitnation geändert hat! Mit welchem Geiste sind 
wir am Eingange des Jahres 1870 in diesen Saal getreten, welche Reden 
sind damals gehalten worden und wie sind die Ereignisse über diesen Reden 
hinweg gegangen! Wenn, meine Herren, zu der Zeit, als die Zollvereins- 
Verträge berathen worden sind, wenn damals, als so viel Böses über die 
Allianzverträge gesagt worden ist, Jemand gesagt hätte: Es werden keine 
drei Jahre über das Land hingehen, so werde in dieser Kammer ein Aus- 
schuß sein, dessen Referenk, derselbe, der jetzt vor uns steht, uns den Vor- 
schlag machen werde, mit Preußen Unterhandlungen zu pflegen, die auf 
die innere Ausbildung des Allianzvertrages und Erweiterun- 
gen der Competenz des Zollparlaments gehen: — würde man einen 
Solchen, der das damals prophezeit hätte, nicht für einen ausbündigen Narren 
gehalten haben? Und doch, meine Herren, ist es so geschehen, und warum 
ist es so geschehen: Sie mögen sagen was Sie wollen: weil der nationale 
Geist im Volke erwacht ist, ein guter, ein gesunder Geist, und weil kein ein- 
ziger Mensch in diesem Hause ist, der sich nicht — willig oder widerwillig — 
diesem nationalen Geiste unterwerfen müßte; er kann nicht anders und die 
Anträge, welche der Ausschuß vorschlägt, diese Anträge sind, wenn auch eine 
ungenügende, so doch eine Frucht dieses nationalen Geistes. Als wir die 
Zollvereinsverträge beriethen, war die Situation in vielen Punkten eine an-
	        
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