Stanffenberg. 743
kommt, wir haben den Satz: „ich thne das, von dem ich weiß, daß es
meinem Gegner unangenehm ist“ zur Regel nuseres politischen Verhaltens
gemacht, und darin liegt die Gefahr für die innere Entwicklung nuserer
Zustände, darin liegt die höchste Gefahr für die Freiheit. Werfen Sie
doch gefälligst einen Rückblick auf das, was nuter der Herrschaft dieser In—
stände bei uns zu Stande gekemmen ist, sehen Sie doch einmal die Pre-
dukte dieses langen Landtags an, wie sie in unserem Gesetzblatte vorliegen —
ich mache dabei keinem Menschen einen indiriduellen Vorwurf, denn wenn
ein Eugel vom Himmel gestiegen wärc, er hätte umter den jetzigen Verhält-
nissen auch nicht mehr zu Stande gebracht — sehen Sie einmal das Gesetz-
blatt an, was haben wir gemacht? Zwei provisorische Steuergesetze, zwei
Vicinaleisenbahn-Gesetze und ein provisorisches Targesetz. Sehen Sie, meine
Herren, das kann auf die Länge nicht gehen, es kann nicht gehen
und es kann noch weniger gehen, daß diese Zustände immer ärger wer-
den. Mir macht die Sache den Eindruck eines verschlungenen Kno-
tens, an welchem von beiden Seiten dieses Hauses gezogen wird. Der
Knoten kann jetzt noch gelöst werden, aber lassen Sie von beiden Seiten
immer stärker an demselben ziehen, so wird zuletzt ein gordischer Knoten da-
raus, und wenn er dann einmal durch einen Aleranderhieb mit dem Schwerte
gelöst wird, so wird Niemand in diesem Hause sein, der nicht frob darüber
wäre — und diesen Zustand will ich rermeiden! Mein Votum über die Bünd-
niß-Verträge ist einfach: „Nicht loben kann ich, nicht rerdammen", aber ich
sehe, daß es mit ihnen möglich ist, jenen Zustand der Freiheit zu erringen,
welcher dem Deutschen Volke gebührt. Ich glaube wenn wir ein frei ge-
wähltes Parlament mit oder ohne Diäten — denn ich denke nicht so gering
von dem Deutschen Volke, daß es wegen dieser miferablen Diätenfrage ein
Parlament von Jasagern wählte, — ich glaube wenn wir ein Parlament
haben, in dem sich die Stimmen der gesammten Deutschen Nation frei und
offen aussprechen können, werden wir jene Rechte erringen, die uns gebühren —
wenn wir selbst etwas taugen. Jedes Volk wird so regiert, wie es schließlich
es verdient. Sie sagen, daß Sie zu den Verträgen „Nein“ sagen, und
zwar, wie Herr Greil sagt, aus Deutschem Gefühle und Deutschem In-
teresse und aus Deutschem Herzen. Ich bestreite dem Herrn Reduer nicht,
daß er dieser Meinung ist, aber Etwas sage ich ihm: Es wird in ganz
Deutschland, in ganz Europa keine hundert Menschen geben, welche Ihnen
glauben, daß Sie aus Deutschem Gefühle und Deutschem Interesse zu die-
sem (entschlusse gekommen sind. Wissen Sie, welche Gefühle dieses „Nein"
hervorrufen wird? Dieses Nein wird in den uns wohlwollenden Staaten
außer Deutschland ein allgemeines Staunen bervorrufen. Es wird in den
benachbarten kleineren Staaten, welche wir so verlassen haben, die allgemeine
Entrüstung hervorrufen. Diese Entrüstung wird in ganz Deutschland ge-
theilt werden. Es wird den Schmerz eines Jeden hervorrufen, der an der
wahren, gesunden Entwicklung seines engern und weitern Vaterlandes In-
teresse hat, es wird nur dic Freude Jencr erregen, welche den Zutritt Baierns