756 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
ganz gesunde Parteirichtung, die sich negativ allerdings dahin aussprach:
Keinen Eintritt in den Norddeutschen Bund, der unsere Eigen-
thũnilichkeit, unsere berechtigte staatliche Selbständigkeit zu absorbiren droht.
Aber, meine Herren, die Parteirichtung, die sich negativ in dieser Weise
ausdrückte, sie hatte auch eine sehr positive Seite. Wir gingen von dem
Gedanken aus, daß, um dieser übermächtigen Centralgewalt entgegentreten
zu können, wir auch in dem Besitze einer Macht sein müßten, und zwar im
Besitze einer geistigen Macht. Wir wollten der äußern Gewalt eine geistige
Gewalt, eine Idee entgegensetzen. Wir wollten Anschluß und Pflege aller
jener Bestrebungen, die freiheitlicher Natur waren; ernst und aufrichtig haben
wir das gewollt. Wir wollten in dieser Idee eine Widerstands-, eine Ex-
pansir-Kraft schaffen, die der Uebermacht der blos äußeren Gewalt die Spitze
zu bieten vermöchte. Wir hofften dies in unserem eigenen Lande zu Stande
zu bringen, wir hofften, daß die Funken dieser Idee auf ganz Deutschland
überspringen würden, und dann wäre nach unserem Dafürhalten auf dieser
freiheitlichen Basis staatliche Einigung von selbst entstanden. Die Central-
gewalt wäre nicht in ihrem Wesen angegriffen sondern nur in ihrem Ueber-
maße beschränkt worden, so daß sie in ihren Wirkungen nicht mehr hätte
gefährlich werden können. Daß das Ziel ein einiges Deutschland, eine Wie-
dervereinigung der deutschen Stämme auch unter einer starken Centralgewalt
sein müßte, haben wir dabei nie aus dem Auge verloren; nur der Weg,
den wir einschlugen, war ein anderer, als der, den Sie gehen wollten; aber
unter günstigen Umständen hätte auch unser Weg zum Ziele geführt. Doch
es ist nicht so gekommen. Wir waren uns von jeher bewußt, daß wenn
auch die höchsten nationalen Ziele, die Einheit und Freiheit des gesammten
Deutschlands, von uns in harter Arbeit errungen wären, wir dann immer
noch diesen höchsten Preis dem alten Erbfeinde, der diejenige Stellung in
Europa seit Jahrhunderten durch Schuld unserer Zerrissenheit eingenommen
hat, die uns gebührt, zuletzt noch in einem nationalen Kriege abringen
müßten. Wir hatten aber geglaubt, daß diese Katastrophe weiter hinaus-
geschcben werden würde, wir hatten geglaubt, das Haus noch unter
Dach bringen zu können, und dann erst in diesen Kampf eintreten zu müssen.
Die Vorsehaug hat auch das anders gewendet; dieser Kampf ist früher ge-
kommen, als wir geglaubt. Aus den Erschütterungen, die dieser nationale
Krieg mit sich gebracht, ist aber wie mit einem Zauberschlage das Haus der
deutschen Einheit, wonach wir alle uns gesehnt, in erweiterter Gestalt ent-
standen, wofür die vorliegenden Verträge die Grundzüge und Fundamente
enthalten. Meine Herren! Wenn wir nun diese Verträge allein ins Auge
fassen, so entsprechen sie vielfach unseren Wünschen nicht. Sie sind zwar in
vielen und nicht unbedeutenden Punkten von der Nordbundverfassung ver-
schieden, aber gerade der wesentliche Charakterzug, den wir in der Nordbund-
verfassung perhorresciren, findet sich, wenn auch in etwas abgeschwächter
Weise, doch wieder in diesen Verträgen. Es ist immer noch der Central=