Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

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ten auch bei uns in staatlicher Beziehung eintreten, wenn uns die Lebensader 
der geistigen und materiellen Verbindung abgebunden und abßgeschnürt wäre 
— das Verdorren, das Hinsiechen, der Tod des Staates, das müßte unser 
Loos sein. Und diesem Ende würden wir entgegen gehen, selbst wenn es 
Frieden bliebe; was würde aber erst aus dieser Lage entstehen, wenn noch- 
mals ein Krieg entsteht? Wissen Sie was?7 Man würde den Frieden auf 
unserm Rücken machen. Man sxricht von den großen Lasten, die uns die 
neuen Verträge aufladen. Ja würden denn die Opfer — das ist Ihnen ja 
von Fachmännern ausführlich dargelegt worden — nicht eben so groß, viel- 
leicht noch größer werden, wenn wir diese Anstrengung zur Erhaltung unserer 
Selbständigkeit allein machen müßten? Nicht ein Heller würde uns davon 
ausgeschenkt werden! Meine Herren, eine solche Lostrennung vom deutschen 
Gesammtkörper ist auch rein unmöglich durchzuführen. Im Parteileben 
fürchte ich nichts mehr als zwei Dinge, daß nämlich die Parteien für ihre 
politischen Zwecke einen religiösen oder ronfessionellen Aushängeschild vorzu- 
häugen versuchen; ebenso, meine Herren, fürchte ich aber auch eine geogra- 
phische Scheidung unter den Parteien. Meine Herren, das Wort, das Se. 
Ercellenz der Herr Kriegsminister gesprochen hat, ist nur zu wahr. Es 
würde bei uns die geograxhische Scheidung eintreten. Von der Mainlinie 
wäre allerdings nicht mehr die Rede, wohl aber von der Donaulinie! Die 
Schwaben übrigens, meine Herren, die wollen unter allen Umständen beim 
Reiche sein! (Völk: Ja wohl!) Auch die Kündigung des Zollvereins 
kann ich durchaus nicht für einen bloßen Popanz ansehen, als welcher sie 
angesehen und ansgegeben wird. Meine Herren, die Nachtheile, die uns eine 
Kündigung des Zollvereins bringt, sind uns so klar dargelegt worden, daß 
darüber kein Wort mehr zu verlieren ist. Nur einen Gedanken moöchte ich 
bei diesem Anlasse noch aussprechen: Ich glaube der Zollverein ist fac- 
tisch schon gekün digt; wenn er auch formell bis zum Jahre 1877 fort- 
besteht, seinem Wesen nach ist er jetzt schon nicht mehr bestehend. Der Zoll- 
verein ist im Deutschen Reiche aufgegangen und mit uns wird man keinen 
neuen schließen, und, meine Herren, diese sieben Jahre, während welcher der 
Zollverein vielleicht bis zur formellen Kündigung noch fortbesteht, ja diese 
sieben Jahre werden die sieben magersten Jahre des Zollvereins sein, der in 
sicherer Erwartung seiner Todesstunde nur ein sieches Dasein fortführen kann. 
Und wissen Sie warum? Weil das Kapital uns fliehen wird! Meine 
Herren! Ich muß wirklich gestehen, ich habe kein Verständniß dafür, wie 
man gegenüber diesen Verträgen, die durch unser „Nein" doch nicht aus der 
Welt geschafft werden können, deren Abwerfung uns in eine wahre Jammer- 
Lage versetzen würde, in der beabsichtigten Weise vorgehen kaun. Ich gestehe 
es offen, es hat für mich das keinen Sinn; ich würde es unter einer Vor- 
aussetzung begreifen, aber ich muß hier gleich die feierliche Verwahrung ein- 
legen, daß ich nicht einem einzigen Mitglied in diesem hohen Hause diesen 
Sinn unterschieben möchte. Wissen Sie, meine Herren, unter welcher Vor-
	        
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