Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

760 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
aussetzung das Abwerfen der Verträge wirklich einen Sinn hätte? Dann, 
wenn wir auf kommende Ereignisse, auf eine europäische Coalition speculiren 
würden zur Zertrümmerung dieses Deutschlands. Aber dagegen 
empört und entrüstet sich jedes deutsche Herz und ich wiederhole es noch 
einmal, daß ich keinem Mitgliede dieses hohen Hauses auch nicht entfernt 
einen solchen Hintergedanken zumuthe. Im Gegentheile, meine Herren, wir 
wollen uns recht treu und fest an das gesammte Deutschland anschließen, 
damit dem Feinde im Auslande keine Ritze und Spalte mehr geboten wird, 
wo er seine Hebel zur neuen Zerklüftung und Zertrennung einsetzen, oder 
worauf er Hoffnungen zur Verlängerung dieses nationalen Krieges bauen 
könnte. Meine Herren, man hat gesagt: „Ja, das ist noch nicht das rechte 
Deutschland, an das wir uns anschließen können, ein Deutschland ohne 
Oesterreich ist nicht das wahre und ächte Deutschland.“ Nun, meine Herren, 
Sie haben gestern ausführlich über diesen Punkt sprechen hören. Wir haben 
uns lange an den Gedanken eines Deutschland ohne Oesterreich nicht gewöh- 
nen können, aber wir müssen es jetzt doch thun. Meine Herren, Oesterreich 
hätte dieselbe Mission gehabt gegenüber Gesammtdeutschland wie Preußen, 
Oesterreich hat aber diese seine Mission nicht erfüllt; weder die diplomatische 
noch die militärische Führung Oesterreichs berechtigt es zu der Stellung, die 
jetzt in der That wirklich Preußen einnimmt. Und wenn wir uns auch be- 
scheiden müssen, Oesterreich als einen integrirenden Bestandtheil Deutschlands 
jetzt im Reiche zu vermissen, kann das doch ersetzt werden durch eine 
möglichst innige und freundliche Verbindung mit Oesterreich und mich 
berechtigt nichts dazu, nicht anzunehmen, daß diese erfreuliche Verbindung 
jetzt bereits wirklich angebahnt ist. Meine Herren! Auch ich habe zu viel 
Respekt vor der politischen Weitsicht desjenigen Mannes, der die Geschicke 
Deutschlands bisher mit so viel Glück gelenkt hat, als daß ich glauben könnte, 
daß er nicht einsähe, die Freundschaft mit Oesterreich bedeutet den europäischen 
Frieden. Den Krieg um des Krieges willen will auch dieser Mann nicht! 
Allerdings, meine Herren, muß Oesterreich dies möglich machen, das ist 
richtig. Nachdem jetzt die Gestaltung so ist, wie sie ist, muß Oesterreich 
auf seine frühere Stellung in Deutschland verzichten, deswegen kann es aber 
doch in der lebendigsten Verbindung mit Deutschland sein und bleiben, und 
kann gerade in seine eigentlichste Stellung, der kräftige Hüter der deutscheu 
Ostmark zu sein, einrücken, wie auch Preußen, nachdem es das nationale 
Ziel erreicht hat, wieder in seine Stellung einrücken kann, Hüter und Wäch- 
ter der Deutschen Nordmark zu sein. Meine Herren, ich gestehe, daß mir, 
nichts im Wege steht anzunehmen, daß aus diesem mächtigen Deutschland, 
das sich jetzt bildet, durch die innige Freundschaft mit Oesterreich jene starke 
Centralmacht in Mitte Europa's sich herausbilden kann, die den Frieden 
unseres Welttheiles zu diktiren, zu wahren und zu geben vermag. Nun 
sagt man aber: „Ja meine Principientreue, meine Consequenz verbieten mir, 
mein Programm, unter dem ich gewählt worden bin, erlaubt es mir nicht,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.