Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Fischer. 767 
Nun, meine Herren, erlauben Sie mir uoch eine allgemeine Bemerkung. 
Wenn ich die Gesammtheit der gegen die Vorlage geltend gemachten Gründe 
betrachte, und wenn ich zurückblicke auf die eigenthümliche Art und Weise, 
wie diese Gründe, so oft sie widerlegt und niedergedrückt waren, sofort wieder 
aufsprangen, gleich gewissen Figürchen, so muß ich einem unserer Herrn 
Kollegen das Zeugniß geben, daß er es war, der in kurzer, bündiger und 
gemeinverständlicher Weise den besten Grund, der gegen die Verträge über- 
haupt geltend gemacht wurde, ausgesprochen hat. Es war der Herr Abg. 
Bayer. Dieser Hei hat keine lange Rede gehalten; er hat nicht gesagt, 
daß diese und jene Artikel des Vertrages ihn geniren; er hat sich nicht ein- 
gelassen auf das Detail dessen, was zu befürchten sei und was nicht. (r 
hat uns einfach erklärt: „Ich traue Preußen nicht, ich will mit ihm 
nichts zu schaffen haben und deßhalb bin ich gegen die Ver- 
träge.“ Dieses Motiv, welches Herr Bayer ausgesprochen hat, ist höchst 
generell gefaßt; er hat sich nicht abgemüht, uns weitläufige Erlämterungen 
zu geben, und trotzdem oder vielleicht eben deßhalb sage ich, daß von Allem, 
was gegen die Verträge gesagt wurde, nach meiner Meinung das, was Herr 
Bayer gesagt hat, das Beste und Treffendste ist. Num entschuldigen Sie, 
wenn ich einer Anekdote Enwähnung thue, die mir ganz unwillkührlich im 
Laufe Ihrer Verhandlungen eingefallen ist. Es fuhr einmal ein Mann von 
Ostende nach London; als er noch nicht halbwegs war, spürte er den An- 
fang der Seekrankheit. Er ging zum Kapitän und erklärte ihm: „Das 
halte ich nicht aus!“ Der Kapitän zuckte die Achsel. Der Mann gog sich 
zurück; die Seekrankheit nahm zu. Er kam zum zweiten, zum dritten und 
vierten Male und erklärte schließlich in höchst erregtem Tone dem Kapitän: 
„Nun sage ich's Ihnen zum letzten Mal, ich halt's nicht aus.“" Der Kapitän 
blicb ziemlich ruhig und erwiederte nur: „Ja, wenn Sie's nicht aushalten, 
lieber Freund, so steigen Sie aus!“ Der Mann ist nicht ausgestiegen; er 
kam an's Land, es wurde ihm wieder wohl. Wenn er heute noch lebt, 
wird er finden, daß er damals eine ganz richtige Wahl getroffen hat. Ich 
weiß ganz gut, daß mir die Herren sagen werden: „Ja, wir steigen gar 
nicht ein, dann kommen wir nicht in die fatale Situation, in 
der jener Passagier war.“ Hiemit aber habe ich die Gegner auf dem 
Kapital-Irrthume ertappt, in dem sie sich befinden. Meine Herren! Sie 
sitzen schon auf dem Schiffe, Sie haben es nur nicht bemerkt, daß Sie hin- 
auf gekommen sind. (Heiterkeit.) Der Sturm der Zeit hat Sie hinauf ge- 
weht, und Sie müssen mitfahren! Aber allerdings in dem Sinne, in wel- 
chem jener Passagier freie Wahl hatte, auszusteigen oder nicht, in dem 
Sinne konnte auch der Herr Abg. Greil sagen: „Ich sehe keine Zwangslage, 
wir haben vollständig freie Wahl.“ Ja, meine Herren, die haben Sie. 
Steigen Sie aus! (Heiterkeit.) Vollständig freie Wahl haben Sie. Man 
giebt sich immer den Anschein — ich sage absichtlich „Anschein", denn die 
Herren glauben ja selbst nicht daran — als habe sich eigentlich an der
	        
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