Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

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gleich in dem Einheitsstaate auf; das koste weniger. Meine Herren! Mir 
hat der Herr Abgeordnete Wiesnet gestern den Eindruck gemacht, daß er 
aus voller Ueberzeugung und aus schmerzbewegtem Herzen heraus seinen Ge- 
fühlen Ausdruck gab. Aber, nmeine Herren, er hat mir auch den Eindruck 
gemacht, als wenn der Standpunkt, den er einnahm, weit eber der Stand- 
runkt der Verzweiflung als ein baierisch-patriotischer sei; denn vom Stand- 
punkt des baierischen Patriotismus aus wird man nach meinem Gefühle 
niemals zu der Erklärung kommen können: „Weil nicht Alles so blei- 
ben kann, wie ich es wünsche, so soll lieber Alles zu Grunde 
gehen!“ (Sehr gut.) Diesen Standpunkt können und diesen Standpunkt 
dürfen wir nicht einnehmen! Der Herr Abgeordnete Kolb und mehrere 
Andere der Herren Gegner vermissen in der neuen Deutschen Bundesrer- 
fassung die Elemente der Freiheit. Der Herr Abgeordnete Kolb sagt: „Die 
Freiheit hat keine Gewähr in diesem Verfassungswerke. Wir haben so lange 
um Freiheit gekämpft, und jetzt wird ein Zustand geschaffen, der es neuer- 
dings der ungewissen Zukunft überläßt, ob uns die Freiheit in dem erwünsch- 
ten Maße wird gewährt werden!“ Meine Herren! Ich gebe es zu, es läßt 
die uns vorlicgende Verfassung, es läßt der Zustand, wie er in dem bisheri- 
gen Norddeutschen Bunde war, in freiheitlicher Beziehung Manches zu wün- 
schen übrig. Wenn der Herr Abgeordnete Kolb in der Lage wäre, eine 
Verfassung des Deutschen Reiches mir vorzulegen, die — ebenso wie die hier 
vorliegende — eine bestimmte Aussicht auf praktische Wirksamkeit gäbe, und 
wenn ich fände, daß die Verfassung die er mir vorlegt, besser als die hier 
vorliegende sei, so würde ich die von ihm stammende Verfassung annehmen. 
Aber, meine Herren, solange die Sache so liegt, wie sie heute liegt, daß 
nämlich Herr Kolb uns nur sagen kann: „Wählt zwischen dem, was Guch 
geboten wird, und zwischen Nichts!“" solange, meine Herren, nehme ich das, 
was zu haben ist; denn das Nichts ist mir zu wenig. Man hat sich auch 
bemüht, darüber klar zu werden, was wohl der verstorbene Dichter Uhland 
thun würde, wenn er heute Mitglied der baierischen Kammer wäre. Meine 
Herren! Zu einer definitiven Entscheidung dieses Streites werden wir wahr- 
scheinlich ebensowenig kommen, als die Herren Gervinus und Braun zur 
Entscheidung des in der „Allgemeinen Zeitung“ entstandenen Streites kommen 
werden, was Dahlmann und Grimm thun würden, wenn sie heute noch am 
Leben wären. An die Geisterklepferei glaube ich nicht, und deshalb weiß 
ich absolut keinen Weg, auf welchem man die Meinungsäußerung der genann- 
ten verstorbenen Herren erholen könnte. Wenn ich allerdings eine Wahr- 
scheinlichkeitsberechnung anstelle, und wenn ich mich umsehe, welche von den 
noch lebenden politischen Gesinnungsgenossen des Herrn Kolb und Uhland 
aus dem Jahre 1848 und 1849 auf unserer, und melche auf der entgegen- 
gesetzten Seite stehen, so finde ich, daß die Mebrzahl von ihnen auf den 
praktischen Boden sich stellt und sagt: „Nehmen wir das, was wir haben 
können, und wollen wir nicht ein neues Vierteljahrhundert mit der Jagd nach
	        
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