Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

776 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
spielen. Die Isolirung wird kommen, das geben die Gegner selbst zu. Sie 
glauben nur, diese Isolirung werde erträglich sein. Man verwies uns auf 
Oesterreich, das sich des isolirten Baierns annehmen werde; übersah aber 
vollständig, daß dieselben Gründe, aus welchen der Herr Referent eine 
preußisch-russische Allianz gegen Oesterreich kommen sieht, Preußen und Oe- 
sterreich sich näher bringen werden. Meine Herren, ich habe mich für die 
österreichischen Verhältnisse auch längst interessint. Wenn man in Oesterreich 
und aus Oesterreich etwas machen will, dann müssen nach meiner Ansicht 
dort die Deutschen und die Magyaren Hand in Hand gehen und sich so 
abfinden, daß man es den Magyaren überläßt, alle anderen Nationalitäten 
jenseits der Leitha, und daß man es den Deutschen überläßt, alle anderen 
Nationalitäten diesseits der Leitha in Ordnung zu halten. Diese Ansicht 
gewinnt in Oesterreich-Ungarn täglich an Verbreitung, und bei solchem Ver- 
fahren werden die deutschen Interessen in Oesterreich am besten gewahrt. 
Weil Letzteres der Fall ist, und weil auch Preußen das Ueberwuchern des 
Slavismus nicht zugeben kann, wird und muß die Gemeinschaftlichkeit der 
Interessen Oesterreich und Preußen zusammenführen. Nicht nur der Noten- 
wechsel, der in den letzten Tagen stattgefunden hat, bringt Oesterreich Deutsch- 
land näher, sondern das wohlverstandene Interesse der deutschen und der 
magyarischen Berölkerung in Oesterreich. Oesterreich braucht die Allianz 
mit Deutschland, eine Allianz mit dem isolirten Baiern wäre ihm daher 
schädlich und nicht nützlich! Die Pfalz müsse eine Sonderstellung bekommen, 
das gab man uns von allen Seiten zu. Wie diese Sonderstellung aussehen 
soll, das zu sagen, ist man uns schuldig geblieben. Ein Hauptgrund, der 
von unserer Seite immer geltend gemacht wurde, um die Gefährlichkeit 
des Zustandes, der nach Ablehnung der Verträge eintreten wird, zu kenn- 
zeichnen, will von den Gegnern der Verträge nicht anerkannt werden. Wir 
sagen: „Die Ablehnung der Verträge hat im Gefolge die Sprengung des 
Zollvereins und die Sprengung des Jollvereins halten wir nicht aus!“ Dem 
gegenüber erklärte der Herr Abg. Kolb, die Drohung einer Sprengung des 
Zollrereins sei ein Gespenst, dem man nur fest ins Auge zu seben brauche, 
damit es verschwinde. Meine Herren! Fester, als man im Jahre 1863 in 
Baiern diesem Gespenste ins Auge gesehen hat, kann man ihm auch setzt 
nicht ins Auge sehen. Es ist damals doch nicht verschwunden! Baiern hat 
schließlich nachgegeben; ich will deshalb Niemanden einen Vorwurf machen, 
denn — der Gescheidtere gibt immer nach! Meine Herren! Seltsam hat es 
mich berührt, als ich wiederholt von den Gegnern der Verträge erklären hörte, 
das dürfe man Preußen doch nicht zutrauen, daß es deshalb, weil wir die 
Verträge nicht annehmen, den Zollverein sprengen werde. Es haben einige 
Herren uns sogar scharf getadelt, daß wir, die wir als Freunde Preußens gelten 
wollen, Preußen so schlimme Absichten unterschieben. Die Gegner sagen uns 
zwar, wenn wir in das Deutsche Reich eintreten, so werde Preußen die ver- 
tragsmäßigen, die verfassungsmäßigen VPerxflichtungen uns gegenüber nicht
	        
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