Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

790 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
und Nacht: Warum denn nach dem Kriege, warum denn nach allen diesen 
furchtbaren Opfern die schlimmeren Bedingungen, die Bedingungen, von denen 
wir — oder sage ich besser „ich" — stehen mit einem „non possumus“, 
über das ich nicht hinaus kann. Nun, meine Herren, auf diese meine Haupt- 
frage hat man mir keine Antwort gegeben. Ja doch, der Herr Dr. Fran- 
kenburg er hat sich darauf einigermaßen eingelassen, und wenn ich seine 
Auseinandersetzungen kurz zusammenfassen will, so darf ich wohl sagen, er 
hat gesagt: „Ja, meine Herren, der Appetit kommt eben im Essen.“ Man 
hat wohl meine Charakteristik der uns vorgelegten Bundesverträge anzufechten 
gesucht. Es ist insbesondere von verschiedenen Seiten gesagt worden, der 
Ausdruck „Mediatisirung“ der passe gar nicht hieher. Der Herr Staats- 
minister v. Schlör hat gesagt: Mediatisirung heiße die Unterordnung eines 
Reichsunmittelbaren unter eine Landeshoheit. Ja, meine Herren, so war es. 
Seit der Zeit ist aber das Wort Mediatisinung aus unserm Sprachgebrauche nicht 
verschwun den; man hat fortwährend noch von Mediatisirung gesprochen. Das 
Wort Mediatisirung hat darnach in unserm deutschen Staatsgebrauche eine 
analoge Bedeutung erhalten, und das Wort Mediatisirung bedeutet jetzt: 
die Unterordnung eines sonveräuen Landes unter die erbliche 
Centralgewalt einer fremden oder sage ich lieber einer andern 
Dynastie. Sehen Sie, meine Herren, das heißt Mediatisirung. Das ist 
der concrete Begriff, den man jetzt mit dem Ausdrucke Mediatisirung verbin- 
det. So oft man ihn gebraucht, bedeutet er „die Unterordnung eines 
souveränen Landes unter die erbliche Centralgewalt einer andern Dynastie". 
Das ist mit dem besiegten Sachsen geschehen im Jahre 1866, und jetzt soll 
es geschehen mit dem siegreichen Baiern durch die Annahme dieser Verträge. 
Ja meine Herren, es war von sächsischen Partikularisten die Rede. Man 
hätte auch noch machen von anderen Partikularisten im Norddeutschen Reichstage 
reden können und dasselbe sagen können: sie wünschten sehr unseren Eintritt. Es 
ist wahr, meine Herren, und sehr begreiflich. Aber warum wünschen sie unseren 
Eintritt?7 Gestatten Sie, daß ich Ihnen ganz offen sage: sie fühlen, daß sie in einen 
Sumpf gerathen sind und glauben, wir konnten ihnen behilflich sein, ihnen 
daraus herauszuhelfen. Ich glaube das nicht, sondern ich glaube, wir wer- 
den nur dasselbe Schicksal theilen. Her v. Schlör hat auch gesagt: das 
Verhältniß, welches durch die Verträge bediugt sei, wäre keine Oberhoheit, 
wäre keine Benehmung unserer Landesrechte, sondern nur eine Modalitat 
der Ausübung derselben. Nun, meine Herren, ich könnte mich auf eine be- 
reits von Herrn Abgeordneten Greil angezogene Stelle aus der Rede Er. 
Excellenz des Herrn Staatsministers v. Lutz berufen; ich könnte mich auch 
auf die offenen und ehrlichen Worte berufen, die wir soeben von Sr. Exellenz 
dem Herrn Kriegsminister gehört haben. Allein man hat so viel von 
Gleichnissen gesprochen, erlauben Sie mir, daß ich auch eines anführe, und 
zwar aus dem ganz gewähnlichen Leben, so ungefähr, wie es Herrn Professor 
Gerstner gefallen dürfte. Sehen Sie, ich bin im glücklichen Besitze einer 
Taschenuhr. Setzen Sie nun den Fall, es ergehe ein Machtspruch über mich:
	        
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