Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Joͤrg. 793 
hundertsten Mal: Es hat am 19. Juli Niemand, gar Niemand für die 
Neutralität gestimmt, sondern die bekannten 47 haben für bewaffnete Neu- 
tralität gestinumt und es der k. Staatsregierung ausdrücklich überlassen, je 
nach den Interessen des baierischen Staates in diesen Krieg einzutreten. Nun 
sehen Sie aber, meine Herren, wenn es mit der Moralität der preußischen 
Politik steht wie Sie sagen, — ich habe ja blos Ihre Worte angeführt — 
wäre es dann nicht sehr klug gewesen von Seite der Leiter der baierischen 
Politik, wenn sie in der That in den Krieg nur eingetreten wären auf 
Grund eines bindenden Vertrages, und wenn sie sich vorher Garantien für 
die freie und berechtigte Staatseristenz Baierns innerhalb der Deutschen 
Nation hätten in die Hand geben lassen? Ich fahre aber weiter, meine 
Herren! Es ist sogar das Wort „Donaulinie“ gebraucht worden. Es 
ist hier geschehen, und es ist im Ausschusse geschehen, und wir haben hier ge- 
hört: „mit der Mainlinie sei es für immer aus, aber die Donaulinie könnte 
kommen.“" Nun, meine Herren, damit ist gesagt, es könnte kommen, daß 
Preußen und Oesterreich sich nach der Linie der Donau in unsern baierischen 
Staatsleib theilen. Lassen Sie mich darüber ganz offen sprechen, meine 
Herren! Ich halte die Donaulinie nur in einem Falle nicht für ein hohles 
Gespenst. Den Fall will ich Ihnfn jetzt nennen. Wenn wir durch das 
Eingehen auf diese Verträge heute oder morgen gezwungen werden könnten, 
an der Seite Preußens gegen Oesterreich zu kämpfen, und wenn Preußen 
in diesem Kriege unglücklich wäre — sehen Sie, meine Herren, dann wäre 
es möglich — aber gewiß nur im Falle diefer äußersten Nöthigung für Preußen — 
dann wäre es möglich, daß sich Preußen dazu herbei ließe, das baierische Gebict süd- 
lich von der Donau, aber, meine Herren, auch das würtembergische Gebiet südlich 
von der Donau und auch ein badisches Gebiet sädlich von der Donau an 
Oesterreich abzutreten. Aber im Laufe der gewöhnlichen Politik Preußens kann 
doch, glaube ich, kein unbefangener Mann solch' eine That Preußen 
zutrauen. Preußen könnte es schon deswegen nicht, weil es ja dann 
aufhören würde, das alleinige Deutsche Kaiserreich zu sein. Es würde 
ja sofort wieder eine andere Deutsche Großmacht an seine Seite treten, 
und was das namentlich bei den Magyaren und Slaven in Oester- 
reich bedeuten würde, brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Sie kennen 
ja die Wendung, welche mitunter merkwürdiger Weise im Allgemeinen die 
Politik im österreichischen Kaiserstaate genommen hat. — Ich gedenke Sie nun 
nscht allzulange mehr aufzuhalten. Aber auf einen Hauptpunkt müssen Sie 
mir doch erlauben, etwas näher einzugehen. Es ist gar keine Einwendung 
häufiger gegen mich erhoben worden als die: ich habe eigentlich nicht gesagt, 
was dann geschehen solle, wenn die Verträge nicht angenommen würden. 
Nun meine ich, meine Herren, ich hätte das eigentlich doch gesagt, wenn 
auch nicht mit vielen Worten, und wäre das in meinem Referate für alle 
die, welche lesen wollen, und in meinem mündlichen Vortrage für alle, 
welche hören wollen, ziemlich deutlich geäußert worden. Im Allgemeinen. 
meine Herren, stehe ich bezüglich dieser Frage so ziemlich auf demselben
	        
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