Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

800 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
stellers eingefallen ist, der da von jenen abscheulichen Geschäften spricht, 
welche unter dem Namen von Verträgen den Boden, worauf lange Zeit der 
Ruhm einer Nation lebte, den Fremden überliefern, — läßt sich ahnen, welche 
Art von Motiven auch der Herr Referent im Auge hat, wenn er des 
Näheren den inneren Hergang der Dinge kennen zu lernen wünscht. Wie 
dem aber auch sei, so viel ist klar: was der Herr Referent in seinem 
Vortrag ausführt, ist eine abfällige Kritik der Haltung, welche die Regie- 
rung beobachtet hat. Er sucht den Beweis zu führen, daß die Regierung 
in einer bisher nicht gerechtfertigten, ja nicht einmal aufgeklärten Weise ihre 
Meinung gewechselt habe. Wenn ich den Herrn Referenten recht verstehe, 
will er sagen, die Regierung habe dreifach anders gedacht, anders ge- 
sprochen und anders gehandelt und zuletzt so, wie sie nicht sprechen, denken 
und handeln durfte. Der Herr Referent nimmt Bezug auf cine Erklä- 
rung, die vor der Verhandlung des 19. Juli abgegeben worden ist, und sagt 
Ihnen: „dort hat die Regierung noch die Stellung Baierns als unantastbar 
erklärt; dort hat die Regierung noch davon gesprochen, man müßte die Be- 
dingungen oder (wie dann berichtigt worden ist) die Voraussetzungen festzu- 
stellen versuchen, unter welchen Baiern allein dem verbündeten Preußen seine 
militärische Hülfe leihen könne, und man müsse diese Gelegenheit benutzen, 
um die Allianzverträge des Näheren zu erklären, nachdem sich gezeigt, daß 
sie der Erklärung bedürftig sind. Meine Herren, mir scheint, der Sinn, den 
der Herr Referent dieser seiner Erklärung beimißt, ist kein anderer als 
daß die Regierung damals eigentlich sich bereit erklärt habe, die Stellung 
Baierns zu wahren und durch weitere Verhandlungen zu sichern, wie sie da- 
mals war, also mit Ausschluß eines nationalen Verfassungsbündnisses. Dann 
geht der Herr Referent zu einem zweiten Standpunkte über und bemerkt, 
daß die Regierung sich von da an zmwar der Einsicht nicht mehr ver- 
schlossen habe, daß ein Verfassungsbündniß nothwendig sei, daß sie aber 
damals noech entschieden den Eintritt in den Nordbund abgelehnt und sich 
nur dazu bereit erklärt habe, dasjenige abzutreten, was absolut nothwendig 
ist, um ein Verfassungsbündniß herzustellen, und daß sie erklärt habe, etwas 
Weiteres als das absolut Nothwendige weder abtreten zu können noch ab- 
treten zu wollen. Was das dritte Stadium anbelangt, so scheint der Herr 
Referent die Auffassung zu haben, daß die Regierung in voller Inkon-= 
sequenz nun doch in den Nordbund ohne alle wesentlichen Aenderungen des- 
selben eingetreten sei, in den Nordbund mit seiner mehrfach hervorgehobenen 
Hinneigung zum Einheitsstaate, zum absoluten, militärdespotischen Einheits- 
staate. Wenn noch ein Zweifel gewesen wäre darüber, daß der Herr Re- 
ferent in dem eben dargelegten Sinne das Verfahren der Regierung beur- 
theile, so haben diesen Zweifel meines Erachtens seine mündlichen Erörte- 
rungen am ersten Tage der Debatte vollständig bescitigt, denn er sagte da- 
mals, am Tage des 19. Juli habe es Niemand auf der rechten Seite des 
Hauses für möglich gehalten, daß es mit Hilfe und Zuthun der Regierung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.