Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Lutz. 801 
dahin käme, daß durch die Verträge die Selbstständigkeit des Landes auf- 
gegeben und das Land mediatisirt werde. Meine Herren, die Kritik des 
Herrn Referenten, die er bezüglich der Haltung der Regierung übt, ist 
bitter und herbe. Aber was bedeutet denn jetzt eine solche Kritik, was be- 
bedeutet sie Ihnen gegenüber, der Aufgabe gegenüber, die Ihnen nunmehr 
gesetzt ist? Eine solche Kritik, wenn begründet, mag ihre Stelle in einer 
Adreßdebatte finden; dort ist sie am Platz. Jetzt handelt es sich um der- 
gleichen Dinge für's Erste nicht, jetzt handelt es sich darum, ob die Ver- 
träge im Interesse des Landes angenommen oder verworfen werden sollen, 
jetzt handelt es sich um eine Entscheidung über das Wohl und Wehe des 
Landes, — jal ich gebe es Allen zu, die es ausgesprochen haben, es handelt sich 
um die Entscheidung über die Eristenz des Landes. Wenn die Lage so ist, 
daß man die Verträge annehmen muß im Interesse des Landes, dann, 
meine Herren, ist es einerlei, von wem sie Ihnen geboten werden, ob von 
einer Regierung, die von der ersten Stunde ihres Handelns an ein und 
dasselbe Prinzip aufgestellt und bis zum letzten Momente festgehalten hat, 
oder von einer Regierung, die früher von anderen Prinzipien ausgieng und 
erst im Laufe der Zeit zu der Ueberzeugung gelangte, daß die Verträge, wie 
sie jetzt vorliegen, abzuschließen eine eiserne Nothwendigkeit bestehe. Die 
Personen, meine Herren, treten jetzt in den Hintergrund. Die Sache allein 
ist das Entscheidende, und es wärc in der That unverantwortlich, wenn über 
das Wohl und Wehe des Landes lediglich oder auch uur vorherrschend aus 
Rücksichten auf die Qualität und den Charakter von Personen entschieden 
würde. Wenn die Sachlage so ist, wie wir Ihnen gesagt haben, wenn die 
Schlußfolgcrung, die wir aus den Zeitverhältnissen ziehen, unabweislich ist, 
dann werden sie nicht umhin können, die Verträge anzunehmen, — das, was 
Sie gegen uns auf dem Herzen haben, für andere Zeiten vorbehaltend. Das 
ist der objektive und darum allein richtige Standpunkt in der Sache. Mit 
einem historischen Rückblick auf den Verlauf der Ereignisse, mit einer Kritik 
der Personen, mit einer Reflerion darüber, was Ihnen an den Personen ge- 
fallen kann und was nicht, wird für die Sache selbst gar nichts erwiesen; 
es ist in dem Stadium, in welchem wir uns befinden, ohne den geringsten 
Werth. Oder sollte ich in dieser Auffassung Unrecht haben? Denken Sie sich 
meine Herren, in die Lage, daß durch ein verneinendes Votum die Verträge 
fallen, und daß im Laufe der Zeit sich ein solches Votum als ein Unglück 
für das Land erweist. Glauben Sie, daß einer von Ihnen der Verant- 
wortung, die er auf sich geladen hat, dadurch ledig werden kann, daß er 
sagt: unsere Minister hatten im Juli noch nicht die Ueberzeugung gewonnen, 
die sich ihnen im Oktober und November aufgedrängt hat? Gewiß nicht! 
Ich wiederhole deshalb, meine Herren, daß mit dem geschichtlichen Rückblick 
auf den Verlauf der Dinge für die Sache selbst, um die es sich haudelt, 
gar nichts erwiesen ist. Aber das gebe ich Ihnen zu, daß Ihre Aufgabe 
uur rechten Ueberzeugung zu gelangen, schwieriger wird, wenn Sie einer Re- 
Raterialien Ill. 61
	        
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