Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Lut. 805 
fassung nicht erzielt worden seien. Meine Herren, etwas Achnliches haben 
wir niemals zugestanden. Ich habe wohl gesagt, wir hätten vorausgesetzt, 
daß Aenderungen an der Bundesverfassung erzielt werden könnten, aber — wir 
haben auch an dieser Voraussetzung festgehalten und wir glauben sie in sehr 
weitgehendem Maße erreicht zu haben wenn auch allerdings nicht in dem 
Maße, welches wir zu Ende September für wünschenswerth gehalten haben. 
Wenn wir aber in der That in den Verhaudlungen vom Oktober und No- 
vember weiter gegangen sind, als die Besprechungen im September vermuthen 
ließen, so glaube ich auch jetzt noch behaupten zu dürfen, daß hier immer 
noch kein Wechsel des prinzipiellen Standpunktes in Mitte liegt. Das ist 
doch nicht zu läugnen, daß bei der Ueberführung eines Prinzipes ins Leben 
in Bezug auf die Einzelnheiten ein Mehr und Minder möglich ist. Das 
Mehr und Minder kann man von verschiedenen Ausgangspunkten ab bestim- 
men. So ist es, wenn wir einerseits das Wünscheuswerthe einer nationalen 
Einigung ins Auge fassen andererseits als ein indispensables Prinzip die 
Wahrung der Selbständigkeit betrachten, — doch sehr wohl möglich, daß man 
bei dem Ausmaß der Zugeständnisse au's Prinzip der Nationalität von dem 
Minimum des Bedürfnisses ausgeht und beim Prinzipe der Wahrung der 
Selbstständigkeit das Marimum wählt. Man kann daron ausgehen, daß 
man um ein Verfassungsbedürfniß zu schließen, eben nur dasjenige zugesteht, 
was ganz unerläßlich ist, um mit Enst von einer nationalen Einigung 
sprechen zu können; man kann andererseits bei Wahrung der Selbstständigkeit 
auch Dinge zurückbehalten, welche recht gut dem Gemeinwesen abgetreten 
werden könnten, ohne daß man darum von Gefährdung der Selbständigkeit 
der Einzelnstaaten zu sprechen berechtigt wäre. Es gebietet sogar die Klug- 
heit in ähnlicher Weise sich zu verhalten. Denn die Unterhandlungen brin- 
gen ihrer Natur nach ein gegenseitiges Ab= und Zugeben mit sich. Das 
was ich hier als den möglichen Standpunkt bezeichnet habe, war der wirkliche 
Standpunkt, den wir einnahmen. Wir haben demzufolge im September noch 
eine Reihe von Dingen vorzubehalten gesucht aber damit nicht zugestanden 
oder behauptet, daß wir nur diese Dinge und gar keinc anderen zugestehen 
können. Und damit fällt der wesentlichste Theil der Schlußfolgerung, die 
der Herr Referent in seinem Referate aufgestellt hat, meines Erachtens 
in sich zusammen. Ich glaube auch nicht gesagt zu haben, daß wir im 
September davon ausgegangen seien, es könnte nur das, was wir damals 
abzutreten uns bereit erklärt hatten, zugestanden werden, sondern daß ich mich 
umgekehrt dahin ausgesprochen habe, es könnte unserer Meinung nach eine 
Mehrzahl von Rechten der einzelnen Souveränität belassen werden. Gestatten 
Sie mir den Standpunkt, den wir hierbei eingenommen haben, an einem 
Beispiel des Näheren zu beleuchten. Ich wähle das Beispiel, das mir am 
allernächsten liegt, das Zugeständniß bezüglich der Justizgesetzgebung. Meine 
Herren! Ich wußte, im Jahre 1866 in den bekannten Propositionen vom 
16. Juni, von denen auch der Herr Referent gesprochen hat, hat die preu-
	        
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