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zu begegnen, ohne die Besorgniß, daß damit ihrer Justizhoheit irgendwie zu
nahe getreten werde. Von der Justizhoheit wird auch jetzt, wie ich per Pa-
wenthefin einschalte, dem Bunde Nichts abgetreten als etwa das unbedentende
und für uns gänzlich unpraktische Recht der Beschwerde wegen Rechtsver-
weigerung. Ich kann nun dem Herrn Referenten sagen, daß ich den
Werth des Zugeständnisses bezüglich der Justizgesetzgebung lebhaft fühle und
empfinde, ja daß es Augenblicke gegeben hat, in welchen mich die Nothwen-
digkeit dieses Zugeständnisses mit Schmerz erfüllte, und Sie werden begreifen,
was ich damit sage, wenn ich an den Civilprozeß zurückerinnere. Aber nichts
weniger als Zuversicht war es, was mich bei dem Versuche erfüllt hat, den
Art. 4 in Bezug auf die Justizgesetzgebung zu modificiren. Ich konnte mir
auch nicht vorenthalten, daß es eine Rücksicht auf Sie ist, welche mir gebietet,
mit dem Zugeständnisse nicht allzu zähe zu sein. Denn darüber war ich mir
im Klaren, daß wir uns der Gemeinschaftlichkeit der Gesetzgebung auch ohne
den Bund nicht für immer und nicht auf allen Gebicten würden entziehen
können. Schon jetzt waren wir in der Lage, eine Anzahl von Gesetzen von
dem Bunde zu übernehmen, und wer weiß, wie lange es möglich gewesen
wäre, selbst größere Gesctzbücher von unseren Grenzen zurückzuhalten. Jetzt,
wenn die Justizgesetzgebung im Reichstage berathen wird, berathen auch Sie
mit. Ich habe gesagt: auf die Einzelnheiten können Sie sich nicht bewerfen,
wenn Sie den Standpunkt prüfen wollen, den wir festgehalten haben; aber
das muß ich zugeben, wenn die Einzelnheiten, in Bezug auf welche ein Zu-
geständniß gemacht worden ist, solche Punkte betreffen, welche mit dem Prin-
zipe im innigsten Zusammenhange stehen, und wenn schließlich keine solchen
Einzelnheiten ausbedungen worden wären, deren es bedurfte, um den Vor-
wurf eines allzu großen Drängens der Verfassung zum Unitarigmus zu be-
seitigen, — dann wäre es gerechtfertigt, von einem Wechsel unseres prinzipiellen
Standpunktes zu sprechen und dann wäre es erklärlich, wenn Sie nach den
Motiven fragten, die uns geleitet haben. Aber auch in dieser Richtung,
meine Herren, ist ein Vorwurf in der That nicht begründet. Wie vermag
man denn, — wollen wir uns das einen Augenblick vergegenwärtigen, —
dem unitarischen Drängen, das sich in ciner Verfassung ausspricht, zu be-
gegnen? Ich denke, die Antwort liegt nahe. Die Abhilfe muß auf dem
Punkte getroffen werden, wo sich das Drängen nach Unitarismus geltend
macht. Hier kommen wesentlich zwei Punkte in Betracht; erstens, wenn zu
viel Gegenstände in das Bereich der Bundescompetenz gezogen sind, und
weitens, wenn das, was mit Recht und unbestritten in das Bereich der
Bundescompetenz fällt, dort zu wenig mit Betheiligung der Verbündeten
und zu viel nach den Intentionen der Spitze exercirt wird. Was nun den
ersten Punkt betrifft, so wärc nichts natürlicher und nichts wünschenswerther
gewcsen als daß wenn und soweit man von einer zu weit gehenden Com-
retenz des Bundes sprechen kann, die Competenz des Bundes für das ganze
Bundesgebiet und für alle betheiligten Staaten reduzirt worden wäre. Das,