Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

808 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
meine Herren, hätte die wünschenswerthe Einigung herbeigeführt und das 
Mißliche einer verschiedenartig gestalteten Competenz ferne gehalten. Das 
aber war nicht zu erreichen. Mir scheint jedoch, daß dem Bedürfnisse nach 
Verengerung einer zu weit gehenden Competenz auch dann genügt wird, wenn 
nur für die einzelnen hieran interessirten Staaten diese Reduktion erfolgt, 
freilich unter einer Voraussetzung, daß nämlich diese Einzelnstaaten das ent- 
sprechende Gebiet in angemessener Weise zu kultiviren stark und kräftig genug 
sind, was zweifellos bezüglich Baierns der Fall ist, wie nach den Erörterun- 
gen, die Sie gehört haben, kaum mehr bezweifelt werden kann. Nun er- 
wägen Sie, meine Herren, was man Ihnen in Bezug auf die Behauptung, 
daß die Norddeutsche Bundesverfassung einem allzu großen Unitarismus 
huldige, hervorgehoben hat. Wenn ich recht unterrichtet bin, ist die Com- 
petenzfrage sehr vielfach hiebei ventilirt worden. Man hat es als etwas sehr 
Schmerzliches betrachtet, daß die Bundesrerfassung so viele Anhaltspunkte 
bietet, um in die Verwaltung der Eisenbahnen der Einzelnstaaten einzugreifen, 
daß man den Einzelnstaaten über das Tarifwesen, über die Anordnung der 
Züge von Bundeswegen Vorschriften machen kann. Es hat außerordentlichen 
Eindruck gemacht, daß die Verwaltung des Telegraphenwesens an die Ge- 
sammtheit hat abgetreten werden müssen, daß es bezüglich der Verwaltung 
des Postwesens in ähnlicher Weise gehalten wurde, und ich erinnere mich 
sehr wohl, wie es als etwas sehr Schmerzliches bezeichnet wurde, daß die 
Fürsten der Einzelnstaaten sich die Beamten für das Telegraphen= und Post- 
wesen in den einflußreichen Stellen von einem anderen Souverän müssen 
ernennen lassen. Man hat es als sehr empfindlich angesehen, daß die Er- 
nennung der Commandeure und Offiziere in so weit gehenden Maße der 
Zuständigkeit des Landesherrn entzogen worden ist; man hat es als etwas 
Bedenkliches angesehen, daß die Landtage der Einzelnstaaten über das Mili- 
tärbudget überhaupt nicht mehr mitzusprechen haben; es ist, wenn auch viel- 
leicht nicht in diesem Hause, als etwas sehr Empfindliches betrachtet worden, 
daß das Gesandtschaftsrecht in so weit gehendem Maße restringirt worden 
ist; man hat es als etwas sehr Bedenkliches und Weitgehendes betrachtet, 
daß beim Besteuerungswesen der Einzelnstaaten tiefe Eingriffe durch die 
Bundesverfassung gemacht worden sind; man hat es als envas sehr Empfind= 
liches betrachtet, daß das Heimatswesen und ähnliche Dinge auch nicht mehr 
nach dem Bedürfnisse der Einzelnstaaten sondern nach den Intentionen der 
Gesammtheit geregelt werden sollen. Sehen Sie, meine Herren, in diesem 
ganzen langen Register ist die Competenz des Bundes für Baiern beseitigt, 
und die Sonderstellung, die Baiern in allen diesen Richtungen einnimmt, 
ist durch ein Veto gewahrt, dessen Wirksamkeit nur nach unserem cigenen 
Willen hinwegfallen kann. Für uns liegt die Sache demnach so, als wäre 
der Art. 4 in allen diesen Punkten geändert worden. Was zweitens die 
Frage betrifft, ob das föderative Element in entsprechender Weise gewahrt 
worden sei, so gestehe ich Ihnen sehr gerne zu, unsere Wünsche sind in der
	        
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