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solchen weiteren Buͤndnisses denken. Und wie stellt sich der Herr Referent
die Sache vor? Wenn ich ihn recht verstehe, meint er, man solle etwa die
Kompetenz des Zollparlaments erweitern. Eine solche Erweiterung der
Kompetenz des Zollparlaments befriedigt Niemanden, gar Nicmanden! Ich
sehe darin gar nichts Anderes, als eine weitere Etappe zum verspäteten Ein-
tritt in den Bund. Aber setzen Sie die Möglichkeit, wir kämen zu einem
solchen weiteren Bündniß, so kommen Sie über die größten Schwierigkeiten,
die uns die Verträge gemacht haben, doch nicht hinweg. Was würde der
Gegenstand einer solchen Vereinbarung sein? Ich denke mir doch offenbar
nicht weniger, als was die Allianzverträge uns geboten haben. Man wird
bei einem solchen weiteren Bund nicht daran denken, von einer Garantie der
Gebicte Umgang zu nehmen. Und wenn Sie die Garantie des baierischen
Gebiets in Betracht ziehen, täuschen Sie sich nicht, dann hätten wir die
ganze Geschichte mit dem Militärbudget in dem weitern Bunde so gut wie
in dem engern. Die Triasidee hat auch eine Rolle gespielt. Es ist lange
darum gekämpft worden. Die Verwirklichung der Idee war nicht zu erreichen
unter viel günstigeren Umständen, als Oesterreich noch im Bunde und das
übrige Deutschland noch nicht so eng an Preußen angeschlossen war als jetzt.
Es sollte jetzt möglich sein, etwas der Art zu erreichen? Gewiß nicht. Das
sind praktisch undurchführbare und deshalb ganz außer Betracht bleibende
Proijekte; das ist das, was ich mir früher als ein Nachhängen nach verlorenen
Idealen zu bezeichnen erlaubte. Außerdem proponirt der Herr Referent
etwas Positives nicht. Sein Trost geht dahin, daß man dann abwarten
möge, was das Jahr 1877 und die Ereignisse bis dahin bringen: dann
sei es noch immer Zeit, einen Eutschluß zu fassen. Nun, meine Herren,
wenn es dann noch dazu kommt, daß man in den Bund eintritt, dann
werden Sie keine Bedingungen mehr zu machen haben, und dann werden Sie
nicht eintreten in den Bund, der Ihnen jetzt nicht gefällt, sondern in den
Bund, wie er ohne uns sich entwickelt haben wird, wie er dann sein wird,
und wie er Ihnen, glaube ich, noch viel weniger gefallen wird. Ich kann
es nicht genug betonen, daß die Darlegungen des Herrn Referenten ihrem
Wesen nach negativ sind und Positives nicht bringen. Meine Herren! Man
hat sich vielfach dafür, daß man auf dem rechten Wege sei, wenn man die
Verträge ablehnt, auf Autoritäten berufen, und da ist insbesondere Seine
Exrellenz der Präsident des obersten Gerichtshofes derjenige gewesen, dessen
Meinung man als mustergiltig gepriesen hat. Ja, es ist in diesem Hause
Niemand, der von größerer Verehrung für diesen Mann erfüllt wäre als ich.
Aber mit um so mehr Recht bitte ich, lassen Sie mir den Herrn ganz,
zerreißen Sie mir ihn nicht. Sollte denn der Mann wirklich nur ein ein-
sichtsvoller Politiker und ein Sachkundiger gewesen sein, da er die Schatten-
seiten der Verträge herrorhebt, und nicht auch dann, wenn er sagt, daß trotz
allem und allem unsere Lage uns nöthigt, die Verträge anzunehmen? Wenn Sie
sich auf sein ungünstiges Urtheil über das neue Deutsche Reich berufen, dann rer-
gessen Sie ja nicht, daß derselbe Mann auch gesagt hat: „Wenn wir jetzt nicht in